Album der Woche | 02.12. - 08.12.2024 mit Verlosung - Maria Du Toit u. Vera Kooper: "She/ Her"
Ivy Priaulx Rainier. Eine südafrikanisch-britische Komponistin des 20. Jahrhunderts. Zu ihren Lebzeiten war sie durchaus erfolgreich, heute jedoch ist sie nahezu vergessen. Ein Schicksal, das Priaulx Rainier mit zahlreichen anderen Komponistinnen teilt. Die Klarinettistin Maria du Toit aus Südafrika und die niederländische Pianistin Vera Kooper haben sich auf die Suche begeben und auf einem Album Werke von zwölf sehr unterschiedlichen Komponistinnen verschiedener Länder versammelt.
Den Anfang des Albums macht die Suite für Klarinette und Klavier von Ivy Priaulx Rainier. Ein ungewöhnliches Werk, findet Vera Kooper. Es habe einen sehr eigenen Stil mit vielen rhythmischen Elementen: "Es ist sehr lebendig und vielseitig, auch humorvoll und tiefsinnig.“
Gesänge südafrikanischer Vögel
Nach eigenen Angaben hat Priaulx Rainier sogar Vogelgesänge in ihr Werk integriert. Vera Kooper suchte danach zunächst vergeblich, Vögel konnte sie beim besten Willen nicht ausmachen. Schließlich gaben Vera und ihre Duo-Partnerin, die Klarinettistin Maria du Toit, ein Konzert in Südafrika. Und mit einem Mal, so erzählt Vera, habe es bei ihr "Klick" gemacht, denn plötzlich habe sie all die südafrikanischen Vögel gehört, die sie aus ihrem Heimatland, den Niederlanden, nicht kannte.
Für Maria du Toit ist diese vielschichtige, farbenreiche Suite von Priaulx Rainier das Zentrum des Albums. Aber auch andere Werke hat sie regelrecht ins Herz geschlossen.
Klänge der Sommersonnenwende
Die vier kleinen unter dem Titel "Solstice" - "Sonnenwende" - zusammengefassten Stücke der zeitgenössischen US-amerikanischen Komponistin Theresa Martin beispielsweise. Diese hat die Stücke 2013 für ihre damals - am Tag der Sommersonnenwende - neugeborene Tochter geschrieben und mit "Sonne", "Mond", "Luft" und "Feuer" musikalisch über deren möglichen Charakter nachgedacht.
Etwas Minimalistisches habe das Werk, findet Maria du Toit. Dennoch sei es komplex: "Je mehr man sich mit den vier Stücken beschäftigt, desto mehr Schichten kommen zum Vorschein.“
Ein wirbelnder Derwisch
Auch zwei Solo-Stücke für ihr Instrument, die Klarinette, sind auf dem Album vertreten. "Derwisch" heißt das eine, komponiert von der Australierin Barabara Woof.
Die Möglichkeiten der Klarinette, ihr großer Tonumfang und ihre Beweglichkeit, werden hier besonders deutlich. Beim Hören sieht man förmlich den wirbelnden Derwisch vor sich: wie einen Kreisel, der sich mit immer neuer Energie um sich selbst dreht und dabei manchmal um ein Haar aus dem Gleichgewicht gerät.
Ein kleines Juwel aus Nigeria
Die andere Komposition für Klarinette Solo stammt von Grace Oforka, einer Komponistin aus Nigeria. Auch dieses Werk sei ein kleines Juwel auf dem Album, so Maria Du Toit. Es stecke etwas "unverkennbar Afrikanisches" im Rhythmus und in der repetitiven Melodie des Werks.
Maria du Toit: "Ich finde das Stück ungemein schön. Es hat fast etwas Geisterhaftes."
Die Frau der Groupe des Six
Europäisch, träumerisch klingt die Arabeske von Germaine Tailleferre, einer umtriebigen und schaffensfrohen Komponistin aus Paris. Als einzige Frau war sie Mitbegründerin und Mitglied der sogenannten Groupe des Six, die um 1920 das französische Musikleben maßgeblich beeinflusste.
Eine lohnenswerte Entdeckungsreise
Das Album "She/ Her" von Maria du Toit und Vera Kooper ist eine Entdeckungsreise durch verschiedene Länder, über drei Kontinente verteilt. Mit zwölf sehr unterschiedlichen, zum großen Teil hier erstmals eingespielten Werken für Klarinette und Klavier – von Komponistinnen aus dem 19. und 20. Jahrhundert bis hinein in die Gegenwart – die es zu kennen und unbedingt zu hören lohnt.
Antje Bonhage, radio3