Esskastanie © imageBROKER/Jürgen Pfeiffer / picture alliance/dpa
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Zeit für Maroni und Esskastanien - Kein Herbst ohne Kastanien

Es ist Herbst, die Wälder färben sich gelb und rot und viele Menschen, nicht nur im Süden Europas, freuen sich auf die Kastanienzeit. Ob zu Hause oder auf den Straßen: geröstete Maronen, die runderen Esskastanien, versüßen mit ihrem betörenden Duft das kühle Wetter. Für Elisabetta Gaddoni sind Kastanien im Herbst unverzichtbar!

Die Früchte, die botanisch gesehen Nüsse sind, eignen sich sowohl für süße als auch für herzhafte Zubereitungen wie Mont Blanc oder Kastanienravioli. Traditionelle Rezepte aus den Regionen, in denen Esskastanien lange ein wichtiges Nahrungsmittel waren, liefern die Inspiration dazu.

Es gibt in Deutschland nicht nur einen "Weißwurst-Äquator - es gibt auch eine Linie, oberhalb der keine Edelkastanien mehr wachsen, weil sie frostempfindlich sind. Sie gedeihen vor allem in der Pfalz, am Rhein entlang. Im Norden gedeihen Esskastanien in Frankreich, im Piemont, im Tessin und in Südtirol.

Ansonsten finden Edelkastanienbäume ihr Habitat in hügeligen oder bergigen Regionen mit gemäßigten Temperaturen: in Spanien, Portugal, Italien, Griechenland und in der Türkei. Kein Wunder also, dass sie dort in dieser Zeit eine viel größere Rolle spielen als in unseren nördlichen Breitengraden, wo sie nur Importware sind.

Kastanienwälder sind im Herbst besonders schön und die Spaziergänge unbeschwerlich, da es am Waldboden kaum Gestrüpp und Büsche gibt - nur einen Teppich aus gelben und braunen Blättern, hier und da Kastanien und Igel. Auf diese muss man besonders aufpassen, wenn man auf den nassen Blättern rutscht! Der Waldboden wird jedes Jahr im August "frei gemacht", damit man im Oktober die Kastanien sammeln kann - ohne, dass sich die Tiere im Gras oder unter Büschen verstecken. Auch gedeihen die Bäume nur, wenn sich nicht zu viel Unterholz ansammelt.

Das Brot der Armen

Die Pflege der Kastanienwälder ist sehr wichtig und wird in vielen Regionen seit dem Mittelalter praktiziert. Bis zum 19. Jahrhundert waren Kastanien das Hauptnahrungsmittel der Bergbevölkerung im gesamten Mittelmeerraum und auch nördlich der Alpen - besonders in der Pfalz, im Südwesten Deutschlands. Dort hatten sie die alten Römer eingeführt, zusammen mit dem Wein: Eine Kombination, die noch heute unschlagbar ist!

Bevor Kartoffeln und Mais, aus Amerika eingeführt, teil der Alltagsernährung wurden, sicherten Esskastanien das Überleben auch während der Hungersnöte - vor allem getrocknet und zu haltbarem Mehl verarbeitet. Deswegen nannte man den Kastanienbaum "L’albero del pane", den "Brotbaum". Außerdem lieferte dieser Holz, Kohle, Gerbstoffe und Blätter als Tierfutter. Doch nicht nur: Trockene Kastanienblätter hat man auch zum Backen benutzt, so wie Backpapier heute. Und Kastanienhonig wurde schon immer als sicheres Mittel gegen Halsschmerzen und Husten empfohlen. Abgesehen davon ist Kastanienhonig auf Ricotta (Frischkäse) noch heute ein absolutes Highlight!

Geröstete Kastanien © Elisabetta GaddoniGeröstete Kastanien

Alte Geschmäcker, neu entdeckt

Mit frischen Kastanien wurden die klassischen "Caldarroste" gemacht: am Feuer geröstete Maroni. Gekocht und zu Püree gestampft und mit dem gekochtem Weinmost "Saba" abgeschmeckt, waren sie die Füllung für Ravioli oder Kekse. Mit Kastanienmehl und getrockneten Kastanien wurde das ganze Jahr gekocht und gebacken: Kastaniensuppe, Reis mit Milch und Kastanien, Kastanienpolenta, Kastanienpuffer, am Feuer gebacken, und der traditionelle Kuchen "Castagnaccio" aus Kastanienmehl, Pinienkernen, Olivenöl und Rosmarin begleiteten die Bergbewohner über das ganze Jahr.

Was für uns ungewöhnlich und interessant klingt, war für die Menschen von damals, die kaum etwas anderes hatten, nur noch eintönig. So sind diese Spezialitäten der armen Küche in den Jahren des Wirtschaftswunders zunächst in Vergessenheit geraten, zumal viele Menschen in die Städte gezogen sind und Kastanienwälder oft verlassen wurden.

Nach langer Zeit entdecken die Menschen von heute gerne diese uralten Geschmäcker. In den Regionen, in denen Esskastanien geerntet werden, laden im Herbst Dorffeste ein, traditionelle Gerichte zu verkosten. Auch in der gehobenen Küche und in der Patisserie haben Esskastanien und Maroni mittlerweile einen festen Platz.

Kastanien oder Maroni?

Die Esskastanie (Castanea Sativa) ist eine Großfamilie, zu der unendlich viele Sorten gehören. Die Rosskastanie gehört allerdings nicht dazu. Edelkastanien sind schon Anfang Oktober reif, sie sind klein und meist schließt die igelige Hülle mehrere Früchte – oder Nüsse. Maroni sind das Ergebnis einer Weiterzuchtung der Esskastanie. Sie reifen später, sind dicker und häufig als Einzelfrucht in der Hülle, außerdem sind sie süßer und ihre Schale ist etwas weicher.

Ob Kastanien oder Maroni: Es empfiehlt sich, erstmal nur eine kleine Menge zu kaufen und zu kochen oder rösten, um zu prüfen, ob sie noch frisch, süß und nicht von Würmern befallen sind. Wenn ja, dann lohnt es sich, zeitnah und aus der selben Charge mehr zu kaufen. Wie auch bei anderen Obst- oder Gemüsesorten müssen die dickeren und teureren Exemplare nicht unbedingt diejenigen sein, die am besten schmecken.

Elisabetta Gaddoni, radio3

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