Die Sammlung Würth zu Gast im Museum für Fotografie - "FOTOGAGA" - Max Ernst und die Fotografie
Die Kooperation zwischen den Staatlichen Museen Berlin und der Sammlung Würth hat in den letzten Jahren schon einige Ausstellungen mit Leihgaben aus der riesigen Sammlung des Schrauben-Unternehmers hervorgebracht. Jetzt, im Jahr des 100. Geburtstags des ersten surrealistischen Manifests, schöpft das Museum für Fotografie aus den Beständen der Sammlung Würth, um das Verhältnis eines der Protagonisten des Surrealismus zur Fotografie auszuloten: Max Ernst.
Erste Überraschung: Max Ernst hat nicht fotografiert – soweit bekannt. Allerdings ließ er sich selbst gerne fotografieren: Als Künstler bei der Arbeit, als Darsteller seiner selbst, als "Interpret" seiner Arbeiten, wenn er Ende der 40er Jahre z.B. mit seiner damaligen Frau, der Künstlerin Dorothea Tanning, auf - bzw. hinter - seiner Paar-Plastik "Capricorn" posierte.
Abbilden statt fotografieren
Fotografien waren für ihn "Steinbruch": Material für seine Collagen. Vor allem aber, das macht diese Ausstellung eindrucksvoll deutlich, nutzte er allerlei mechanische Abdruck- und Abbildungsmethoden, ähnlich fotografischen Verfahren, um etwa Pflanzen festzuhalten. Max Ernst fertigte Frottagen und Lichtdrucke, indem er Holzmaserungen auf Papier durchrieb und Objekte auf Fotopapier oder eine entsprechend beschichtete Glasplatte legte, belichtete und dann druckte.
Vertrautes wird fremd
Am Ende konnte auf diesem Weg ein gehäkelter Untersetzer in einer Grafik oder einem Gemälde zur Sonne oder zu einem Planeten am Firmament werden. Es ist ein regelrechtes Universum solcher Verfahren, das die Ausstellung ausbreitet: Ein schier unerschöpfliches Reservoir für immer wieder andere Bilder, deren "Überraschungspotential" darin besteht, dass sie vertraut und fremd gleichzeitig erscheinen, zwischen Wiedergabe und Verfremdung oszillieren.
Die Medien sind vielfältig: Neben Malerei sind vor allem Grafik, auch Bücher und Editionen zu sehen, aber auch Werke zahlreicher anderer Künstler und Künstlerinnen, die vor oder nach oder zeitgleich mit Max Ernst ähnliche Verfähren nutzten und ähnliche Wege beschritten.
Museum für Fotografie: Fotogaga. Max Ernst und die Fotografie
Denkanstöße und Sehvergnügen
Dass allein die Größe der Wiedergabe ein Objekt vollkommen anders erscheinen lässt, illustrieren z.B. die Fotografien, die Karl Blossfeldt in den 1920er Jahre von Pflanzenteilen machte, die in der Vergrößerung wie wunderschöne Architekturen aussehen. Umgekehrt wirkt menschliche Kopfhaut in der Mikrofotografie des Mediziners Ernst Redenz (um 1930) wie ein fantastisches abstraktes Muster aus helleren und dunkleren Kreisen und Linien.
Wenn es darum geht, die Wirklichkeit anders zu sehen – und darum ging es dem Surrealismus – hier ist genau das zu erleben. Mit rund 270 (meist kleinformatigen) Exponaten kann man sich in dieser – keineswegs ausufernden – Ausstellung wahrhaftig verlieren. Weit über Max Ernst und den Surrealismus hinaus liefert sie Denkanstöße – was leistet eine Kopie und was überwiegt im Verhältnis zum Original: Ähnlichkeit oder Differenz? – und sehr viel Sehvergnügen.
Silke Hennig, radio3