Biografisches Drama - "Priscilla"
"Elvis und ich" – so heißt die Biografie von Priscilla Beaulieu Presley, der einzigen Ehefrau des größten Sexsymbols seiner Zeit – Elvis Presley. Die Filmregisseurin Sofia Coppola hat jetzt diese autobiografische Liebesgeschichte in einem Spielfilm inszeniert. Die amerikanische Schauspielerin Cailee Spaeny hat für ihre Rolle der Priscilla bei den letzten Filmfestspielen in Venedig den Preis als beste Darstellerin gewonnen. Der australische Schauspieler Jacob Elordi – bekannt aus der Fernsehserie "Euphoria" – spielt den King of Rock ’n’ Roll.
Sofia Coppola erzählt die Begegnung mit Elvis Presley konsequent aus der Perspektive von Priscilla Beaulieu. Sie ist als 14-Jährige nach Deutschland gekommen, weil ihr Stiefvater in Wiesbaden stationiert war.
Die Geschichte beginnt im Nachkriegsdeutschland
Die Schülerin lebt mit ihrer Familie in der Kaserne, in einer sehr amerikanischen Umgebung. Als sie im Kasino herumhängt, wird sie von einem Soldaten eingeladen, abends mit zu einer Party von Elvis Presley zu kommen. Elvis dient zwar als GI in der Army, wohnt aber in einer Villa in Bad Nauheim. Hier atmen die Räume die Düsternis des Nachkriegsdeutschlands: Alles wirkt staubig, plüschig, spießbürgerlich von gestern. Vor diesem Hintergrund entwickelt sich die unkonventionelle Liebesgeschichte aus Heimweh, aus der Sehnsucht nach mehr Lebensfreude und natürlich aus der Bewunderung für den Star.
Berührend gespielt
Die zierliche Cailee Spaeny spielt hinreißend schüchtern die Heranwachsende, die vor Aufregung bebt, als sie vor dem zehn Jahre älteren Rocksänger steht. Als sie dann aber mit Elvis nach Graceland zieht, wächst ihre Priscilla sichtbar in die Rolle als Gefährtin hinein. Abends ist sie die Vertraute des Stars, morgens nimmt sie Aufputschmittel und wird in die katholische Mädchenschule chauffiert. Anfangs wählt Elvis Priscillas Outfit aus, bald aber gestaltet sie ihre Auftritte selbst. Da strafft sich Cailee Spaeny, ihr Blick wird fester, sie findet ihre Rolle als halböffentliche Gattin, auch wenn der Film fast immer im privaten Raum spielt.
Jacob Elordi, schlank und hochgewachsen, sieht deutlich besser aus als Elvis Presley. Im Englischen verschleift er seine Sätze zu einem intimen Gemurmel. Elordi muss sich zu seiner Partnerin herabbeugen. Mitunter musste Sofia Coppola Podeste für Cailee Spaeny bauen lassen, um das Paar gemeinsam in den Bildrahmen zu rücken.
Private Perspektive
Sofia Coppola ist als Tochter des Filmemachers Francis Ford Coppola in Opposition zu der Glamourwelt von Hollywood aufgewachsen. Sie trennt das Image von den Personen konzentriert sich ganz auf die zarte, persönliche Liebesgeschichte und nimmt die radikal subjektive Sicht ihrer Hauptfigur ein. Manche Episoden wirken skurril bis verstörend – die Keuschheit bis zur Hochzeitsnacht, der Drogenkonsum, die Pistolen zum Kostüm.
Ungeachtet seiner aufmüpfigen Musik hat Elvis Presley eine sehr konventionelle Vorstellung von der Rolle seiner Frau. Sie soll zu Hause den Herd warm halten. Priscilla wirkt in Graceland wie ein kleiner Vogel im Goldenen Käfig. Wenn Elvis auf Tournee oder beim Dreh ist, verwaist das Haus und sie vereinsamt. Wenn er aber da ist, nehmen die Drogentrips zu, die Provokationen, die Aufregung. Aus den Komplizen werden Kollegen. Priscilla wirkt immer professioneller. Selbst nach der Heirat, als sie zur Geburt ihres Kindes in die Klinik fährt, klebt sie noch künstliche Wimpern an. Nach der Geburt von Lisa Marie aber entfernen sich die Eltern voneinander. Erschreckend spielt Jacob Elordi den Zerfall von Elvis Presley, der am Ende von Drogen und Tabletten aufgefressen durch sein Leben taumelt. Priscilla rettet sich und ihre Tochter mit der Scheidung.
Indie-Pop statt Rock ’n’ Roll
Die Nachlassverwalter von Elvis Presley haben die Rechte für diesen Film nicht freigegeben. Das erweist sich aber als Glücksfall. Weil die Geschichte ganz aus der subjektiven Perspektive von Priscilla erzählt wird, weil sie berührend persönlich ist, hätte die sehr eindeutige Musik von Elvis Presley den Zauber der Subjektivität zerstört. Jetzt stammt der Soundtrack vom französischen Indie-Pop Sänger Thomas Mars, dem Ehemann der Regisseurin. Er verleiht dem Film etwas Verträumtes, Spielerisches. Einen privaten Raum, jenseits des röhrenden Rockbusiness.
Simone Reber, rbbKultur