Drama - "Leere Netze"
Der Filmregisseur Behrooz Karamizade ist 1984 als 7-jähriger Junge mit seinen Eltern nach Deutschland gekommen – auf dem Weg über die Sowjetunion und durch die DDR. Er hat Filmregie an der Kunsthochschule Kassel studiert und mehrere preisgekrönte Kurzfilme gedreht. Jetzt kommt sein erster abendfüllender Spielfilm ins Kino: "Leere Netze" entstand im Iran und erzählt von Hoffnung und Enttäuschung der jungen Generation. 60 % der iranischen Bevölkerung sind jünger als 30 Jahre und kennen nichts anderes als das autoritäre Regime der Mullahs.
Amir taucht gern. Lachend bittet er seine Freundin Narges, die Sekunden zu zählen, die er unter Wasser aushalten kann. Für einen Moment bleibt die Meeresoberfläche glatt und still. Narges macht sich Sorgen. Dann aber taucht der fröhliche Amir wieder auf, stolz auf seine Leistung. Dennoch hängt von Anfang an eine dunkle Ahnung über diesem Film. Sie wird sich im Verlauf der Geschichte zu einem schmerzhaften Unbehagen verdichten – parallel zu dem Abwärtssog, der den Helden mit sich reißt. Dabei sind Narges und Amir eigentlich ein glückliches Paar. Nur die rigiden religiösen Gesetze verbieten ihnen, sich gemeinsam öffentlich zu zeigen.
Narges stammt aus einer wohlhabenden Familie, ihre Eltern erwarten eine hohe Mitgift vom Bräutigam. Amir dagegen kommt aus bescheidenen Verhältnissen. Seine Mutter ist Witwe und verdient ihren Lebensunterhalt mit dem Verkauf von Gewürzen. Weil er in der Stadt keine Arbeit findet, heuert Amir in einer Fischerei an der Küste an. Dort beobachtet, er wie Taucher heimlich den geschützten Stör jagen, um illegal den persischen Kaviar zu verkaufen.
Behrooz Karamizade hat seinen Film vollständig im Iran gedreht. Obwohl in Deutschland aufgewachsen, bewegt er sich in der großen Tradition des iranischen Kinos, einer Kunst, in der die bösen Ahnungen oft Realität werden. Sein Kameramann Ashkan Ashkani hat für Mohammed Rasouloff den düsteren Film "Manuscripts don’t burn" fotografiert, die grausame Geschichte von der Verfolgung und Ermordung iranischer Schriftsteller. Seine Hauptdarstellerin Sadaf Asgari war zuletzt in "Yalda – Nacht der Versöhnung" zu sehen. Da spielte sie eine Todeskandidatin, die in einer bizarren Fernsehshow die Chance zur Begnadigung erhält.
Der Film "Leere Netze" konzentriert sich ganz auf die Hoffnungslosigkeit der jungen Generation im Iran, die zwischen Arbeitslosigkeit und politischen Restriktionen kaum Entwicklungsmöglichkeiten sieht. Amirs Zimmergenosse Omid bringt das Gefühl auf den Punkt:
"Anscheinend ist Geld das Einzige, was hier noch zählt. Dieses Land ist eine einzige Sackgasse. Man kann hier nicht sein, wer man ist. Und daran kann man auch nichts ändern."
Wenn die Fischer am frühen Morgen zum Markt fahren und ihre fangfrische Beute anbieten, zappeln die silbrig glänzenden Fische noch lebend im Netz. Eine bedrückende Metapher für die Menschen in dem autoritären System. Der junge Schauspieler Hamid Reza Abbasi wirkt am Anfang offen und durchlässig für das Leben, voller Zuversicht, dass er tüchtig und stark genug ist, die Mitgift für seine Freundin zu verdienen. Sein Gesicht versteinert zunehmend, auch gegenüber Narges.
"Leere Netze" ist ein bitterer, beklemmender Film voll enttäuschter Liebe für das Land Iran und seine Kultur. Der Regisseur teilt die verletzte Verbundenheit mit seiner Hauptfigur. Behrooz Karamizade kennt den langen Weg, den Amir noch vor sich hat.
Simone Reber, rbbKultur