Vanessa Vu und Ahmad Katlesh © Harald Keller
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Vanessa Vu und Ahmad Katlesh | Bild: Harald Keller Download (mp3, 107 MB)

Die Debatte mit Natascha Freundel, Ahmad Katlesh und Vanessa Vu - Komm dahin, wo es still ist – Heimat und Rassismus in Deutschland

"Lernen, diese Stille in uns selbst herzustellen." (Vanessa Vu)

Aufzeichnung vom 11. November 2024 in der Anton-Saefkow-Bibliothek, Berlin

In Kooperation mit dem Bezirksamt Lichtenberg

In Berlin, beim Tanzen haben sie sich kennengelernt: die vietnamesisch-deutsche Journalistin Vanessa Vu und der aus Syrien nach Deutschland geflohene Schriftsteller Ahmad Katlesh. Sie schreiben einander Briefe – über Herkunft und Heimat, Krieg und Flucht, Erinnerung und Zukunft, Möglichkeiten und Grenzen des Verstehens. Es sind zugleich Briefe an Deutschland: "Komm dahin, wo es still ist. Eine Erkundung" heißt ihr gemeinsames Buch im Rowohlt Verlag.

Natascha Freundel denkt mit Vanessa Vu und Ahmad Kathlesh über Kernbegriffe ihrer Briefe nach. Heimat bedeutet für beide: offene Kommunikation; Lebensgeschichten mitzuteilen und zu verknüpfen. So kann ein Miteinander wachsen, in dem auch Stille zu finden ist. Doch warum versteht sich Deutschland immer noch nicht – vielleicht gerade immer weniger – als Einwanderungsland?

Warum sprechen wir eigentlich, wenn es um Flucht und Migration geht, inzwischen nur noch über Obergrenzen? Ob die Leute gut oder schlecht sind, ob sie antisemitisch sind oder eigentlich auch Opfer, ob sie erwerbstätig sind und wie viele von denen, wie schnell man Leute abschieben kann? Da versuchen sich ja die meisten Parteien gerade in der Zahl und der Schnelligkeit zu überbieten. In diesen Diskursen sind die kleinen Geschichten verloren gegangen.

Vanessa Vu

Ich habe das Gefühl, jeder beobachtet mich oder uns, was wir hier machen. Einerseits fühle ich mich sicher: ich sterbe hier nicht durch Waffen. Andererseits fühle ich diesen Druck, ich bin hier weniger frei als in Syrien. Aber ich will mein Leben hier gestalten. Ich habe jetzt in Berlin, in unserem Zuhause eine Heimat. Ich will diese Heimat schützen. Doch die Frage, ob wir Deutschland verlassen sollten oder nicht, wird jetzt immer stärker und stärker.

Ahmad Katlesh
Ahmad Katlesh (© Privat) und Vanessa Vu (© Prissilya Junewin)
Ahmad Katlesh und Vanessa Vu Bild: Privat || Prissilya Junewin

Gäste

Ahmad Katlesh, geboren 1988 in Damaskus, ist Schriftsteller. Er hat in Damaskus Mathematik studiert, wurde als regimekritischer Dichter vom syrischen Geheimdienst verfolgt und flüchtete 2013 nach Jordanien, wo er auch als Journalist arbeitete. 2017 kam er mit einem Stipendium des Heinrich-Böll-Hauses nach Deutschland. Er veröffentlichte drei Bücher mit Kurzgeschichten und Gedichten auf Arabisch, 2020 erschien sein erstes deutschsprachiges Buch, der Lyrikband "Das Gedächtnis der Finger". Dafür verlieh ihm die Bayerische Akademie der Schönen Künste das Chamisso-Publikationsstipendium. Auf "Tiklam" liest er für Millionen arabischsprachiger Hörer literarische Texte.

Vanessa Vu, geboren 1992 in Eggenfelden, ist Journalistin und Redakteurin von ZEIT ONLINE. Als Tochter vietnamesischer Einwanderer wuchs sie in einem Asylbewerberheim in Pfarrkirchen (Niederbayern) auf. Sie studierte Ethnologie, Internationales Recht und Südostasien-Studien an der LMU in München, Paris und London. Anschließend absolvierte sie die Deutsche Journalistenschule in München. 2018 bis 2023 war sie Co-Host des vietdeutschen Podcasts "Rice and Shine". Für ihre Arbeit zu den Themen Migration, Rassismus und soziale Gerechtigkeit wurde sie unter anderem mit dem Theodor-Wolff-Preis (2018) und dem Lessing-Preis für Kritik (2022) ausgezeichnet. In der Schaubühne Berlin moderiert sie das „Klassenzimmer“, eine Gesprächsreihe über Armut und Klassismus.

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