RIAS Kammerchor |  Henry Purcell: "King Arthur" © RIAS Kammerchor/Fabian Schellhorn
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RIAS Kammerchor und Akademie für Alte Musik Berlin - Henry Purcell: "King Arthur"

Bewertung:

Eines der originellsten Werke im Bereich Musiktheater ist Henry Pucells "King Arthur", eine Semi-Opera, also ein Mittelding aus Oper und Theater. Jetzt war das in einer szenischen Umsetzung des Regisseurs Christoph von Bernuth zu erleben im Konzerthaus Berlin unter der Leitung des Chefdirigenten des RIAS Kammerchors Justin Doyle.

Ein absoluter Fleckenteppich: Gesang, Sprechtheater, ein bisschen Tanz, viele Instrumentalnummern und Zwischenspiele. Das Besondere: Die Hauptrollen, darunter die Titelrolle des King Arthur, sind Sprechrollen. Dazu kommen viele Chöre und Mini-Szenen, darunter ein Ehekrach, der gerade noch einmal gut ausgeht. Das Stück funktioniert nach dem Motto: Alles muss raus.

Mehr Fantasy als Historie

Das Ganze geht auf einen uralten Mythos zurück, Teil des Gründungsmythos von Britannien, wo es immer wieder Machtkämpfe zwischen Briten und Sachsen gegeben hat (daher die "Angelsachsen"). Aber das ist keine trockene Geschichtsstunde, sondern enthält viel Zauberei, Sirenen, einen Magier, der der Verlobten von Arthur das Augenlicht gibt. Also doch mehr Fantasy als Historie.

RIAS Kammerchor |  Henry Purcell: "King Arthur" © RIAS Kammerchor/Fabian Schellhorn
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Ein bisschen Kindergeburtstag

Der Regisseur Christoph von Bernuth hat in seiner neuen Arbeit für den RIAS Kammerchor alles auf dieses Ensemble zugeschnitten. Die müssen ja auch wirklich alles übernehmen: von Priestern über Sirenen und Hirten bis zu Kneipenbesuchern. Sie sind nahezu immer in Bewegung auf der (bis auf den rechten Teil, wo das Instrumentalensemble sitzt) leeren Bühne. Schafe müssen sie auch mal spielen und sich mit einer Möhre und einer Gurke füttern lassen.

Ansonsten sind die im Original zahllosen Sprechrollen auf zwei Darsteller reduziert, was ständige Kostümwechsel bedeutet, es ist immer etwas los. Am Ende wird natürlich, wie es sich gehört, Tee serviert.

Die gesprochenen Texte sind kräftig eingedampft und ein bisschen aktualisiert, trotzdem dauert der Spaß weit über zweieinhalb Stunden, hängt manchmal, besonders zum Schluss, wenn eigentlich alles auserzählt ist und es trotzdem weitergeht, durch, aber das macht nichts, das ist ein bisschen Kindergeburtstag, und es macht Spaß.

RIAS Kammerchor |  Henry Purcell: "King Arthur" © RIAS Kammerchor/Fabian Schellhorn
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Großartige Darstellerin

Die Sprechrollen sind mit zweien besetzt, die man noch gut vom Deutschen Theater Berlin kennt. Elias Arens ist ein poltriger, schnell cholerischer King Arthur, der auch rasend schnell die Rolle wechselt zum Hexer Osmond. Das ist darstellerisch furios, nur leider versteht man von seinen Texten allzu wenig. Katrin Wichmann gibt eine köstliche Mischung aus Noblesse und Naivität. Für einen Moment ist man gerührt, wenn sie die Prinzessin spielt, die zum ersten Mal in ihrem Leben sehen kann. Wunderbar!

Aber die stärkste Leistung kommt von der Sopranistin Marie-Sophie Pollak. Sie kann schlicht und ergreifend alles: singen, spielen, tanzen. Sie kommt auf die Bühne, und man schaut hin – die Sonne geht auf. Sängerisch schießt sie Pfeile ab, das hat eine Präzision und Schärfe, dass man sich im besten Sinne fast daran verletzen kann. Das hat Musicalqualitäten im Bereich der Alten Musik, man ist einfach nur begeistert.

RIAS Kammerchor | Henry Purcell: "King Arthur" © RIAS Kammerchor/Fabian Schellhorn
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Solistenchor

Es ist nicht das erste Mal, dass der RIAS Kammerchor auch darstellerisch gefordert ist, und da haben auch diesmal alle so richtig ihren Spaß, sind in bester Spiellaune, ständig in Bewegung, in unterschiedlichsten Formationen und Rollen. Und man staunt immer wieder, wie alle bei diesem Gewusel musikalisch auf gewohnt höchstem Niveau agieren. Die Chöre haben eine Dichte – das sind geradezu Klangwände. Das hat Wucht, das funkelt.

Diesmal besonders zu erleben: Welch großartige Solistinnen und Solisten dieser Chor in seinen Reihen hat. Ein Dutzend Solopartien werden so besetzt – besser geht es nicht. Das sind die Höhepunkte des Abends. Mal will es kaum glauben, aber hier hat sich der RIAS Kammerchor noch einmal selbst übertroffen.

RIAS Kammerchor |  Henry Purcell: "King Arthur" © RIAS Kammerchor/Fabian Schellhorn
Bild: RIAS Kammerchor/Fabian Schellhorn

Zwieback, Knäckebrot und Partystimmung

Für die Akademie für Alte Musik Berlin ist das vertrautes Terrain, und so können die das mit einem köstlichen Understatement abschnurren lassen, manchmal so augenzwinkernd trocken, in einer Mischung aus Zwieback und Knäckebrot.

RIAS Kammerchor-Chef Justin Doyle hält das alles von seinem Pult gewohnt engagiert und souverän zusammen, bisweilen tanzt er auch mit. Er ist der Garant, dass das musikalisch auch diesmal auf höchstem Niveau funktioniert. Am Ende lässt er alle sich in Gruppen verbeugen und aufstehen – zu einem kleinen Instrumentalsatz. Da war dann endgültig Partystimmung, und man ist sehr spät, aber auch sehr gut gelaunt aus dem Konzerthaus gekommen.

Andreas Göbel, radio3