Szene aus "Il Trittico" an der Deutschen Oper Berlin
Eike Walkenhorst/Deutsche Oper Berlin
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Deutsche Oper Berlin - "Il trittico" von Giacomo Puccini

Bewertung:

Die spektakuläre Inszenierung des 1918 uraufgeführten Dreiakters von Turnages moderner Ödipus-Oper "Greek" auf dem Parkdeck der Deutschen Oper Berlin machte die junge Regisseurin Pınar Karabulut berühmt. Mit Giacomo Puccinis Werk "Il trittico" stellt sie sich nun auch im Großen Haus der Deutschen Oper Berlin vor.

Puccinis "Trittico", ein Met-Uraufführungserfolg von 1918, hat hauptsächlich dank des großartigen "O mio babbino caro" Berühmtheit erlangt. Es kann zäh sein. Und zwar dann, wenn der finale "Gianni Schichi", die Farce über eine lachhaft gelungene Testamentsfälschung, nicht komisch wird (wie meist üblich). Davor gibt’s eine Eifersuchtstragödie ("Il tabarro") und ein Nonnenschicksal zu beweinen ("Suor Angelica"). An der Deutschen Oper wird nur eine Pause gemacht, nicht zwei; was den Abend beschleunigt.

Gelungene Besetzung

Wie schwer diese Oper zu besetzen ist, ahnt man kaum. Die hunderttausend Wurzen des Triptychons nämlich sind entweder aus dem Ensemble besetzt – oder bilden ein Ensemble. Von außen dazugekommen sind als formidabler Komiker Misha Kiria, der den Schicchi schon letztes Jahr in Salzburg sang. Carmen Giannattasio ist eine gleißnerisch damenhafte Giorgetta, Violeta Urmana eine prominent besetzte Principessa. Andrei Danilov sieht als Rinuccio aus wie Chico Marx in den Marx Brothers-Filmen. Phantastisch: Mané Galoyan als vokal schwebende Lauretta; als Angelica kriegt sie das Kunststück hin, die Nonne tatsächlich weltentrückt zu singen, ohne Prüderie.

Sie alle sind dermaßen gut, dass der Star der Aufführung, Jonathan Tetelman (Luigi), als solcher kaum auffällt. Höchstens durch Schallkraft und ein froschgrünes Halbkörper-Kondom.

IL TRITTICO von Giacomo Puccini; Bild: 2023, Deutsche Oper Berlin ©  Eike Walkenhorst
Bild: 2023, Deutsche Oper Berlin ©  Eike Walkenhorst

Quietschbuntheit und souveräne Spiellust

Regisseurin Pinar Karabulut wurde der Dreiteiler anvertraut, nachdem sie Turnages "Greek" auf dem Parkdeck der Deutschen Oper unlängst erstaunlich spielbar gemacht hatte. Ihre Mittel auch diesmal: Quietschbuntheit und souveräne Spiellust.

Die Ordensschwestern in ihrem Grashüpfer-Ornat scheinen einer sehr seltsamen Fantasy-Sekte anzugehören. Der tote Erbonkel in "Gianni Schichi" ist gar nicht tot, sondern wird von der buckligen Verwandschaft erst zu Tode gebracht. Ich habe gelacht. Freilich ist nicht zu verhehlen, dass die Tricks und Ausstattungseffekte allesamt gut geklaut sind: die Leuchtfarben-Grotte zu Beginn bei Ersan Mondtag und Vegard Vinge, die Klosterschwestern bei Hans Neuenfels und die rot- und grüngesichte Verwandschaft bei Herbert Fritsch. Was gut ist, wird halt geklaut. Und ist hier immerhin so zielgenau zum Wohl der Sache verbraten, dass der Begeisterungssturm am Ende verständlich ist. Er fiel womöglich noch größer aus als bei den Abgekupfterten selbst.

Donald Runnicles hatte abgesagt, stattdessen dirigiert John Fiore mit wohltuend leichter Hand. Lange habe ich das Orchester nicht so gut aufgelegt gehört. Fiore fühlt das Pülslein bei jedem Stück neu – mit hörbar unterschiedlichen Ergebnissen. Auch der Chor ist super. Es wird klug und witzig mit Wasser gekocht. Die Deutsche Oper erfindet sich als Ensembletheater wie neu. Der Abend ist eine Freude.

Kai Luehrs-Kaiser, rbbKultur

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