Maria Lettberg: Europolis; © Oehms Classic
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Bild: Oehms Classic

Album der Woche | 14.04. - 20.04.2025 - Maria Lettberg: Europolis

Wenn wir über europäische Musik sprechen, dann meinen wir häufig Musik aus Ländern wie Österreich, Italien, Frankreich oder Deutschland. "Das kann nicht alles sein!", hat sich die Pianistin Maria Lettberg gedacht. Für ihr neues Album "Europolis" hat sich die Pianistin Maria Lettberg auf die Suche gemacht. Nach Musik aus Europa, genauer: Nach Kompositionen aus den 27 Mitgliedsländern der Europäischen Union.

"Mein eigener Eurovision Klavier Contest!", sagt Maria Lettberg. Auch wenn sie das mit einem großen Augenzwinkern sagt: Ganz abwegig ist der Gedanke nicht! Auch auf ihrem neuen Album tritt jedes Land mit einem Titel an.

Auswahl

Bei einigen Ländern hatte sie die Qual der Wahl, vor allem bei solchen Ländern, deren Komponisten sie oft spielt – Deutschland zum Beispiel. Brahms, Schumann, Bach oder doch Beethoven? Beethoven mit seinem Rondo aus der "Pathétique" ist es letztlich geworden. Diese Entscheidung ist, wie alle Entscheidungen, die Maria Lettberg getroffen hat, subjektiv. Wichtig war ihr nur, "jedes Land so gut zu präsentieren, als ob es mein Heimatland wäre."

Entdeckungen

Nicht bei allen Ländern hatte Maria Lettberg direkt eine Idee, welche Werke man auswählen könnte: "Zum Beispiel Malta. Kenne ich auch nur einen einzigen maltesischen Komponisten? Nein. Obwohl ich so als Musikerin mein ganzes Leben lang Musik aus verschiedenen Ländern gemacht hab! Ich war überrascht, wie viel gute Musik ich gefunden habe."

Maria Lettberg hat sich durch Notenberge gegraben und zahlreiche Entdeckungen gemacht: Gefunden hat die Pianistin zum Beispiel den maltesischen Komponisten Charles Camilleri und seine "Due Canti", "Zwei Gesänge". Camilleri hat eine grazile Melodie mit einer einfachen Begleitung komponiert. Schönheit durch Schlichtheit, könnte man auch sagen – und so spielt Maria Lettberg das Stück auch.

Maria Lettberg; © Roderich Reimer
Maria Lettberg | Bild: Roderich Reimer

Geschichten statt Hymnen

Die Pianistin hat sich gegen einen pompösen Klang à la Nationalhymne entschieden. Wenn sie spielt klingt das persönlich, direkt und manchmal beinahe als würde sie nicht spielen, sondern erzählen. Mal auf Lettisch, mal auf Kroatisch, mal auf Deutsch, mal auf Griechisch.

(Zeit-)Reise

Die Pianistin verbindet auf ihrem Album nicht nur Werke aus 27 Ländern, sondern auch aus verschiedenen Epochen: von der Renaissance bis zur Gegenwart. Eingespielt hat sie ihr Album aber trotzdem nur an einem Instrument. Um eine gewisse Einheitlichkeit zu gewährleisten, sagt sie. Das Instrument ihrer Wahl: ein historischer Flügel von Eugen D'Albert aus dem Jahr 1898. Eine gute Entscheidung! Selbst ein Sweelinck aus dem 16. Jahrhundert klingt an diesem Instrument hervorragend – vor allem, wenn man so fein artikuliert, phrasiert und verziert, wie Maria Lettberg.

Comeback

Sweelincks "Pavana Lachrimae" – kommt da nicht noch ein 28. Land dazu? "Es nicht ganz Sweelincks Musik. Seine Komposition beruht auf 'Flow my tears' von John Dowland. Dadurch habe ich probiert, England auch zu integrieren. Ich finde das sehr schade, dass sie uns verlassen haben. Sie sollten zu uns zurückkommen!"

Gemeinsamkeiten und Vielfalt

Gemeinschaft ­– das ist für Maria Lettberg eine zentrale Erkenntnis ihres Projekts. Bei aller Vielfalt der Musik gibt es doch innerhalb der Epochen häufig Gemeinsamkeiten zwischen den Komponisten der einzelnen EU-Länder. Die haben sich fleißig ausgetauscht und sich gegenseitig inspiriert. Klischees führen hier mitunter in die Irre. Nicht jeder Walzer, wenn er auch noch so wienerisch klingt, kommt tatsächlich aus Österreich. Auch portugiesische Komponisten haben Walzer geschrieben!

12 Punkte

Mit ihrem Album zeichnet Maria Lettberg ein positives Bild der EU. Die Europäische Union, das sind nicht nur Krisen und Bürokratie, sagt sie. Das ist Vielfalt und Verbindung und das zeigt sich besonders gut in der Musik: "Das ist unser Erbe, das ist wo wir waren, wo wir sind und wohin wir gehen werden."

In diesem Sinne: 12 Punkte an Maria Lettberg.

Henrike Leißner, radio3