Illustriert von Kat Menschik - Jacqueline Kornmüller: "Das Haus verlassen"
Manchmal bringt der Zufall Menschen zusammen, die wie füreinander geschaffen sind. Manchmal erledigt das aber auch Haruki Murakami. Seine düstere Erzählung "Die unheimliche Bibliothek" hat die österreichische Theaterregisseurin Jacqueline Kornmüller so begeistert, dass sie sie auf der Bühne inszenieren wollte - aber nur mit Bühnenbildern von Kat Menschik, die das Buch illustriert hatte. Aus der Zusammenarbeit wurde Freundschaft – und eine ganz neue Zusammenarbeit: Kat Menschik hat nun das literarische Debüt von Jacqueline Kornmüller illustriert, die Erzählung "Das Haus verlassen", erschienen in Menschiks Reihe "Illustrierte Lieblingsbücher" im Galiani Verlag.
Ein winziges Haus, grün wie das hohe Gras, das es weit überragt, wie für Käfer gebaut, ziert die Titelseite des neuen Lieblingsbuchs von Kat Menschik. Zwischen den grünen Gräsern und Blumen verstecken sich Frösche, Libellen, Mäuse. In kupferfarbenen Lettern glitzert der Titel aus dem verwunschenen Garten hervor: "Das Haus verlassen".
Das Haus, das die Erzählerin – so wie die Autorin heißt sie Jacqueline - verlassen möchte, ist nicht wirklich klein und grün, es ist ein altes Feldsteinhaus auf dem Land in Österreich, umgeben von einem großen blühenden Garten. Zehn Jahre ist es her, dass die Erzählerin das Haus gekauft hat:
"Den Glücksmoment, als ich das Haus erwarb, werde ich nie vergessen. Ich tanzte auf dem Stuhl. Das Haus war damals in einem erbärmlichen Zustand. Es war komplett verwahrlost und verkannt. Die umliegenden Bauern lächelten müde, als ich das Haus erwarb. Bruchbude, sagten sie zu dem Haus. Ruine."
Das Haus lebt
Doch für Jacqueline ist das Haus keine Ruine, sondern eine neue Freundin, mit der sie sofort eine innige Verbindung eingeht und nach Namen für sie sucht, wie "Die Schöne von Greith", "Das Daheim", "das Kirschenschloss" oder "die Klebrige":
"Warum die Klebrige?, fragte das Haus. Ich wollte nur wissen, ob du schon eingeschlafen bist. Das Haus war ganz außer sich vor Freude. Ich ließ mir ein Bad ein, (...), und lange und ausgiebig badend gab ich dem Haus tausende und abertausende neue Namen. Ein Namensrausch, der tief in die Geschichte des Hauses eingegangen ist."
Das Haus lebt, es spricht mit seiner Besitzerin und sie spricht mit ihm, streitet und diskutiert, lacht und mokiert sich über andere. Vor allem über die potenziellen neuen Hausbesitzer, die zur Besichtigung anmarschieren:
"Unten im Keller angekommen – der Keller, der nun schon seit zehn Jahren ein Bad ist, ein gewaltiges Bad in einem gewaltigen Gewölbe, hier könnte die Monroe baden, und sie wäre hingerissen -, unten im Keller angekommen, sah der Mann der Hausbesitzerfamilie, ein Beamter aus dem Innenministerium, das Bad an und das Bad sah den Mann an, und beide waren schockiert voneinander. Fast hatte ich das Gefühl, das Bad würde gleich rülpsen, so schockiert war es.“
Eine innige Liebe zwischen Mensch und Haus
Diese kleine Geschichte erzählt auf wenigen Seiten die Innigkeit einer Liebe, die zwischen einem Menschen und seinen vier Wänden entstehen kann und wie schwer es dann ist, sich zu verlassen - in diesem Fall gegenseitig. Das Haus hat immer mitzureden, auch bei der Käuferwahl:
"Bis jetzt also nichts Reales in Sicht, sagte das Haus. Du musst bei mir bleiben, sagte das Haus. Du hast mich erweckt und nun bin ich bei Dir, du kannst doch nicht einfach gehen. Ja, sagte ich, ich sollte bleiben, aber ich muss weiter. Das Haus war mit dieser Antwort sichtlich unzufrieden.“
Zahllose Interessenten besichtigen und inspizieren dieses eigensinnige Haus, keiner genügt den beiden Verkäuferinnen. Sie nennen sie "Die Stillen", "Der Belgier und Frau Salz", "die Suchende", "Die Desinteressierten" oder "den Blutdiamantenhändler".
Je mehr kommen, desto mehr erkennt die Besitzerin die Schönheit ihres Hauses.
Ein Fest für die Illustratorin Kat Menschik
Die Erzählung ist ein wahres Fest für die Illustratorin Kat Menschik. Sie hüllt Haus und Garten in herrlich warme Farben, lässt die Wintersonne ebenso durch Silberblätter glitzern, schickt das melancholisch warme Herbstlicht durch den Garten und beschwört den Frühling in fröhlicher Farbenpracht, so schön, wie Jacqueline Kornmüller es in ihren leichten fröhlichen Sätzen beschreibt:
"Unten am Feld wächst ein weißer Flieder. In lauen Mainächten lässt mich sein Duft vom Sommer träumen. Etwas oberhalb des weißen Flieders haben wir mehrere Magnolien gepflanzt, die abwechselnd blühen. Purpurfarben, hellgelb und die größte in einem rasanten Pink. Die Magnolien blühen lang, aber wenn sie verblühen, ist schon die Dufthortensie am Start (...)."
"Das Haus verlassen" ist ein wunderbares gemeinsames Kunstwerk von Jacqueline Kornmüller und Kat Menschik geworden. Zugleich amüsant und melancholisch – niemals kitschig. Und vor allem eine visuelle Freude auf jeder Seite. Ganz nebenbei hält es leichtfüßig bis zuletzt die Spannung: Werden Haus und Frau sich verlassen - oder nicht?
Irène Bluche, rbbKultur