Drama - "Perfect Days"
78 Jahre alt ist er und noch immer ein Workaholic. Kurz bevor 2023 zu Ende geht, bringt Wim Wenders jetzt seinen zweiten Film in diesem Jahr in die Kinos. Nach der Dokumentation über Anselm Kiefer jetzt wieder ein Spielfilm: "Perfect Days".
Gedreht wurde in Japan, ein Land, mit dem Wenders viel verbindet – er liebt Tokio, liebt die japanischen Mode-Designer (über Yamamoto, dessen Anzüge er seit Jahrzehnten trägt, hat er 1989 einen Film gedreht) und er liebt das japanische Kino, allem voran die Filme von Ozu, seinem selbsterklärten Meister.
24 Filme hat Wenders seit Anfang der 70er Jahre gedreht und immer wieder hat es ihn auch nach Japan gezogen. Noch nie aber war Japan – um genau zu sein: Tokio – ausschließlich Schauplatz, so wie hier. Und so ist "Perfect Days" eine japanische Produktion. Und es ist Japan, das diesen Wenders-Film 2024 ins Rennen um den Oscar schickt.
Architektonische Juwelen
Noch während Wenders an der Postproduktion zu "Anselm" saß, wurde er nach Tokio eingeladen, ob er nicht Lust hätte, sich des Themas Toilettenhäuschen in Tokioer Parks anzunehmen. Keine Toilettenhäuschen wie bei uns, hässlich, modern und trotzdem eklig. Nein, hier handelt es sich um ein Dutzend kleiner architektonischer Juwelen. Gebaut für die Olympischen Spiele 2020, denen durch Corona nicht die internationale Aufmerksamkeit widerfahren ist, die sie verdient hätten. Und die nun künstlerisch verewigt werden sollten. Ob als Doku oder Fotobuch, war den Kuratoren gleich: Hauptsache von dem Japan-Liebhaber Wim Wenders.
Wenders flog also nach Tokio und war begeistert von diesen Tempeln, diesen speziellen Orten. Und "Orte", sagt er, "sind in fiktionalen Geschichten besser aufgehoben, als in Dokumentationen". Setzte sich hin und schrieb in nur zwei Wochen ein Drehbuch: die Geschichte eines Mannes, der diese Toilettenhäuser reinigt.
Mit Präzision und Hingabe
Wenders nimmt die Figur, um eine Geschichte über das kleine Glück zu erzählen. Hirayama lebt alleine in einer kärglichen Unterkunft. Frühmorgens steht er auf, rollt seinen Futon zur Seite, putzt die Zähne und verlässt das Haus – nicht ohne jeden Tag den Blick in den Himmel zu richten und den Tag mit einem Lächeln zu begrüßen.
Dann setzt er sich in sein Auto, schiebt eine Musikkassette ein und fährt zur Arbeit: putzt Toiletten. Er tut das ohne Vorbehalte, mit Präzision und Hingabe. Und lässt sich durch nichts aus der Ruhe bringen. Auch nicht von seinem unfähigen, faulen Kollegen, den er mit stoischer Ruhe erträgt. Sonst erfährt man wenig über ihn. Und doch genug.
Achtsam durchs Leben
Man begreift: dieser Mann ist glücklich. Ist bei sich. Er hat wenig Kontakte und ist doch nicht einsam. Er liest. Er isst. Er arbeitet. Und wenn er Zeit hat, geht er in den Park, holt seine kleine analoge Kamera heraus und fotografiert die Bäume: die Blätter im Wind, von der Sonne beschienen. Diese Achtsamkeit, mit der Hirayama durchs Leben geht, macht ihn und das, was er erlebt, besonders. Obwohl äußerlich ein Tag dem anderen gleicht, entsteht keine Monotonie: Es ist sein Blick, der jeden Tag und jeden Moment einzigartig erscheinen lassen. Dieser Mann ist im Hier und Jetzt.
Gespielt wird die Hauptfigur Hirayama von dem japanischen Schauspiel-Star Kôji Yakusho. Er bekam für seine Darstellung beim Festival in Cannes sehr verdient den Preis als bester Darsteller. Kôji Yakusho ist kein junger Mann, geboren 1956, aber unglaublich schön anzusehen. Seine stille Präsenz fängt die Kamera von Franz Lustig hingebungsvoll ein.
Ein bezauberndes Alterswerk
"Perfect Days" ist ein sehr besonderer Film und dazu ein typischer Wenders im besten Sinne. Die Musik, die die Hauptfigur hört, reicht von Patti Smith über Lou Reed. Dessen Song "A Perfect Day" gibt dem Film seinen Titel und die Ruhe, die dieser Film hat, die Spiritualität, die ihn trägt.
Ein bezauberndes Alterswerk über die Schönheit des Lebens.
Christine Deggau, rbbKultur