Künstler-Biopic - "Munch"
Vier unterschiedliche Hauptdarsteller, vier unterschiedliche Bildsprachen und ein Drehbuch, das sich eher an Themen wie Angst und Exzess als an biografischen Fakten entlanghangelt: Henrik Martin Dahlsbakkens "Munch" schert sich nicht um die Konventionen des klassischen Biopics. Gerade das aber macht den Film zum Erlebnis.
Liebe, Angst, Trauer und Tod – das sind die zentralen Motive in der Malerei von Edvard Munch. Der Norweger gilt als Ikone der Moderne und als wichtiger Wegbereiter des Expressionismus. Doch wenn man seine Bilder anschaut – den berühmten "Schrei" beispielsweise - bekommt man das Gefühl, dass sein Leben nicht immer glücklich gewesen sein kann.
Der Mann hinter den Bildern
In seinem Film "Munch" versucht der norwegische Regisseur Henrik Martin Dahlsbakken herauszufinden, wer der Mann hinter den Bildern war. Dabei arbeitet er mit unterschiedlichen Bild- und Zeitebenen und lässt den Maler von gleich vier unterschiedlichen Schauspieler:innen spielen. Er erzählt das Leben Munchs nicht chronologisch, sondern springt zwischen Zeiten und Lebensaltern hin und her, sodass mitunter ein "Munch" zum anderen spricht.
Ein Munch spricht zum anderen
Los geht es dabei mit dem alten Munch (Anne Krigsvoll). Der lebt in seinem Haus in der Künstlerkolonie Ekely bei Oslo, umgeben von Hunderten seiner Gemälde, von denen er sich partout nicht trennen will. Potentielle Käufer werden genauso abgewimmelt wie die Schergen des Nazi-Reichskommissars Josef Terboven, die ein Geschäft mit der verfemten Kunst machen möchten.
Vom naiven Romantiker zum exzessiven Trinker
Später lernen wir den jungen Munch kennen (Alfred Ekker Strande) – einen naiven Romantiker, der gerade aus Paris zurückgekehrt ist und in der norwegischen Provinz eine unglückliche Affäre mit der verheirateten Dichterin Milly Thaulow (Thea Lambrechts Vaulen) beginnt. Wir folgen dem Maler nach Berlin (jetzt: Mattis Herman Niqvist), wo seine lang erwartete Ausstellung im Kunstverein gleich nach ihrer Eröffnung wieder geschlossen wird und Munch Gleichgesinnte wie den schwedischen Dramatiker August Strindberg (Lisa Carlehed) und den norwegischen Bildhauer Gustav Vigeland trifft.
Nach der Zeit der Exzesse in Berlin folgt die Zeit der Ernüchterung in einer Nervenheilanstalt. Hier wird ein mittlerweile deutlich gealterter Munch (Ola G. Furuseth) vom Psychiater Daniel Jacobsen (Jesper Christensen) mit seinen Ängsten konfrontiert und kehrt schließlich geheilt wieder ins Leben zurück.
Unterschiedliche Bildsprachen
Henrik Dahlsbakken hat jeder Lebensphase eigene Bilder zugeordnet: Munchs Jugend ist bunt und üppig, man sieht viel von der norwegischen Natur. Die Berliner Zeit hat Dahlsbakken dagegen in die Gegenwart verlegt. Munch läuft mit seinem Handy telefonierend über die Oberbaumbrücke, trifft sich mit Strindberg und Vigeland am Wasserturm und geht anschließend in einem Techno-Club tanzen. In der Nervenheilanstalt hingegen sind die Bilder dann wieder schwarzweiß nüchtern, das Format schrumpft auf das klassische 4 mal 3, bevor der Film am Ende in die Realität zurückkehrt – mit bunten Farben und breiter Leinwand.
Gut geklaut?
Trotzdem – und das ist das Schöne – bleibt der Erzählfluss erhalten und man verliert im Kino nie den Faden. "I’m not there" - Todd Haynes Film über Bob Dylan - könnte da womöglich Pate gestanden haben: Auch da gibt es unterschiedliche Hauptdarsteller und auch da ändern sich Tempo und Bilder permanent. Doch egal: Besser gut von anderen geklaut als schlecht selbstgemacht!
Carsten Beyer, rbbKultur