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Film Noir - "Die Theorie von Allem"

Bewertung:

"Die Theorie von Allem" von Timm Kröger war der einzige deutsche Beitrag dieses Jahr im Wettbewerb von Venedig. Timm Kröger, der auch das Buch geschrieben hat, erzählt darin von dem jungen Physiker Johannes Leinert, der 1962 zu einem Kongress in die Schweizer Alpen reist, und in geheimnisvolle Ereignisse und Morde verstrickt wird: ein bisschen Hitchcock, ein bisschen Nouvelle Vague.

Das kennen wir doch: diese perlende Kaffeehausmusik, diese schimmernden schwarz-weiß Bilder. Diese Szene im Zug. Zwei Männer sitzen im Abteil, auf der Fahrt zu einem Wissenschaftskongress. Schon öffnet sich die Tür des Abteils und ein dritter Mann steigt zu ...

Die Theorie von Allem © Neue Visionen Filmverleih
Bild: Neue Visionen Filmverleih

Alles ist bekannt und doch fremd ...

Das kennen wir doch irgendwie - und doch ist alles fremd in dem elegant seltsamen Film "Die Theorie von Allem" von Timm Kröger. Der Regisseur, sein Co-Drehbuchautor Roderick Warich und sein Kameramann Roland Stuprich zitieren die Ästhetik des Film Noir, der frühen Nouvel Vague und natürlich die Filmsprache von Alfred Hitchcock.

Im Jahr 1962 ist der junge Physiker Johannes Leinert mit seinem Doktorvater auf dem Weg in die Schweizer Berge. In einem Grand Hotel wird ein iranischer Quantenphysiker erwartet mit einem Vortrag zur "Theorie von Allem". Bis zur Eröffnung des Kongresses unterhalten sich die Gäste in der Lounge, während eine geheimnisvolle Pianistin im Hintergrund spielt.

Lustvolles Spiel mit dem Déjà-vu-Effekt

"Die Theorie von Allem" schaut in die Zukunft und ist auf stupende Weise altmodisch. Olivia Rossi als Klavierspielerin Karin hat die robusten Gesichtszüge aus den frühen "James Bond"-Filmen. Jan Bülow stolpert als der Doktorand unerwachsen durch das Grand Hotel. Hanns Zischler als schneidender Doktorvater schweigt zu seiner deutschen Vergangenheit. Natürlich gibt es eine Skiabfahrt durch den Schnee. Und es ereignen sich unheimliche Todesfälle.

Der Regisseur Timm Kröger spielt lustvoll mit dem Déjà-vu-Effekt. Mit dieser leichten Verzögerung zwischen Ereignis und Wahrnehmung, mit der minimalen Verschiebung vertrauter Bilder und Klänge. Wunderbar selbstverständlich und dennoch unheimlich tritt David Bennent auf mit Schlapphut und einer Stimme, die ein paar Töne neben der Erwartung liegt.

Die Theorie von Allem © Neue Visionen Filmverleih
Bild: Neue Visionen Filmverleih

Vertraute Filmsprache

Timm Kröger führt eine multiperspektivische Handlung ein - die Idee von mehreren Universen, die parallel existieren, von verschiedenen Zeitebenen, die sich überlappen und in einem Bergstollen miteinander in Berührung kommen. Schließlich begegnet sich der Doktorand selbst als Kind. Aber irgendwann werden die rätselhaften Multiversen unübersichtlich und verlieren sich in ihren Verästelungen. Der Regisseur zitiert zwar die Bilder von Alfred Hitchcock, aber dieser setzte den inneren Kern seiner Geschichte unter Spannung – suspense war sein Zauberwort. Jetzt genießen Augen und Ohren zwar die vertraute Filmsprache. Aber das Herz schlägt nicht schneller. Da bleibt der Film die "Theorie von Allem".

Simone Reber, rbbKultur