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Drama - "Killers of the Flower Moon"

Bewertung:

Berühmt geworden ist Martin Scorsese mit fiebrig energetischen Filmen über die Mafia-Gangster im Little Italy von New York. Filme wie "Taxi Driver", "Good Fellas" und "The Departed". In Scorseses neuem Film treten zum ersten Mal unter seiner Regie zwei Superstars gemeinsam auf.

Nachdem er zuletzt mit "The Irish Man" einen (selbst-)kritisch unheroischen Blick auf die Gewalttätigkeit des organisierten Verbrechens gerichtet hat, folgt nun mit der Verfilmung des Bestseller-Sachbuchs "Killers of the Flower Moon: An American Crime and the Birth of the FBI" ein ebenso kritischer Blick auf den blutgetränkten Gründungsmythos der Vereinigten Staaten.

Insgesamt 10 Filme hat Scorsese mit seiner männlichen Muse Robert DeNiro gedreht, und 6 mit Leonardo DiCaprio. Nun treten die beiden Superstars des amerikanischen Kinos in "Killers of the Flower Moon" zum ersten Mal zusammen in einem Film des Meisters auf.

Das beste, wunderbarste Volk auf Erden

Der letzte Soundtrack des im August verstorbenen "The Band"-Musikers Robbie Robertson gibt einen düster bedrohlichen Rhythmus vor. Wie üblich im Umgang der weißen Siedler mit den amerikanischen Ureinwohnern, wurde auch dem Stamm der Osage ein scheinbar wertloses Stück Land in Oklahoma zugeteilt. Als dort enorme Mengen Öl gefunden wurden, wurden sie mit einem Schlag schwerreich, besaßen Häuser, Autos, Bedienstete.

Der Film beginnt mit einer wunderbaren Szene in Zeitlupe: Eine Gruppe indigener Ureinwohner tanzt um das aus dem Boden sprudelnde schwarze Öl. Schon in diesem Bild liegen Verheißung und Fluch eng beieinander. Natürlich weckt der immense Reichtum Begehrlichkeiten unter den weißen Siedlern.

Killers of the Flower Moon; © Paramount/Melinda Sue Gordon
Bild: Paramount/Melinda Sue Gordon

Umverteilung des Reichtums durch Heirat und Mord

Am Anfang des Films kehrt Ernest Burkhart (Leonardo DiCaprio) aus dem 1. Weltkrieg zurück nach Oklahoma, zu seinem Onkel, dem Rinderfarmer William King Hale, der ihn herzlich begrüßt: "Es war eine gute Idee hierher zurückzukommen. Die Osage sind das beste, wunderbarste Volk auf Erden."

Robert DeNiro spielt diesen Rinderkönig mit einer Mischung aus jovialer Gravitas und unterschwelliger Gefährlichkeit, die sich aus den vielen Gangsterrollen speist, die er vor allem für Martin Scorsese gespielt hat. Und wie immer klingt das im englischen Original natürlich noch ein bisschen besser als in der deutschen Synchronisation.

Nach außen hin gibt sich der Rinderkönig wohltätig, behandelt die Ureinwohner mit Respekt und Freundlichkeit, scheinbar auf Augenhöhe, sogar ihre Sprache hat er gelernt. Doch im Hintergrund heckt er finstere Pläne für die Umverteilung des Reichtums aus, in denen er auch seinem nicht sonderlich hellen, aber attraktiven Neffen eine Rolle zugedacht hat.

Ihn setzt er auf die wohlhabende Mollie an, die ihn als Fahrer angestellt hat. Durch Heirat soll ihr Grundbesitz und Vermögen in die Hände der Weißen kommen. Lily Gladstone verleiht ihr eine geradezu royale Noblesse, in der Art wie sie die dramatischen Ereignisse und das Werben von Ernest mit konzentrierter Wachsamkeit und wohldosiertem Understatement aufnimmt.

Killers of the Flower Moon; © Paramount
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Vertrauen und Verrat

Doch Heirat und Erbe sind nur ein Mittel im finsteren Plan des Viehkönigs, denn immer mehr Mitglieder des Osage-Stammes und von Mollies weitläufiger Familie sterben unter mysteriösen Umständen. Das Sachbuch von David Grann erzählt die reale Geschichte dieser mysteriösen Mordserie unter den Mitgliedern des Stammes der Osage aus der Perspektive der FBI-Ermittler, die aus Washington geschickt wurden.

Martin Scorsese und sein Drehbuchautor Eric Roth vertiefen und verlagern den Blick. Aus dem Serienkiller-Krimi machen sie ein episches Drama, das sich auf 206 Minuten mit großer Genauigkeit und langem Atem mit den amerikanischen Gründungsmythen auseinandersetzt.

Schonungslos prangert der Film die Verbrechen der weißen Kolonialisatoren an, und zwar in enger Zusammenarbeit mit den Mitgliedern des Osage-Stammes. In welchem Maße dieser große, ausladende, ernste und liebvolle Film über Vertrauen und Verrat, über Liebe und Hass auch zur Heilung beiträgt, brachte deren Chief Standing Baer bei der Pressekonferenz auf dem Festival in Cannes zum Ausdruck: "Mein Volk hat schwer gelitten", sagte er da "und die Folgen davon wirken bis heute nach. Aber im Namen der Osage kann ich sagen, dass Martin Scorsese und sein Team dieses Vertrauen wiederhergestellt haben. Und wir wissen, dass er dieses Vertrauen nicht verraten wird."

Anke Sterneborg, rbbKultur

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