Demo "Aufstand der Anständigen: Wir sind die Brandmauer", Berlin 02.02.2025; © imago-images.de/Achille Abboud
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Die Debatte mit Ann Kristin Schenten, Tareq Sydiq und Robert Menasse - Proteste gegen Rechtsruck: Wie nachhaltig ist die Empörung?

Robert Menasse: "Gewohnheit macht immobil"

In Deutschland und in Österreich wurde protestiert. Gegen die "Parteien der Mitte". Union bzw. ÖVP. Denn beide Parteien haben sich in Allianzen mit teils rechtsextremen Kräften geübt. In Deutschland, indem die Union es ermöglichte, dass erstmals ein Antrag im Deutschen Bundestag mit Stimmen der AfD angenommen wurde. In Österreich, weil dort die konservative Partei ÖVP Verhandlungen über eine zukünftige Regierung mit der rechtsnationalen FPÖ geführt hat.

Die Verhandlungen sind mittlerweile geplatzt. Die Empörung war trotzdem zumindest in Teilen der Gesellschaft groß – in Deutschland hält sie an. Doch in Meinungsumfragen spiegelt sich das kaum wieder.

Wer geht auf die Straße? Wie nachhaltig sind die Proteste? Ist die Mehrheit der Menschen schon zu geübt darin, die gewohnten Zustände einfach hinzunehmen – sogar, wenn es um Faschismus geht? Eine Debatte über die Protestkultur in Deutschland und Österreich.

Dass diese Demonstrationen nicht noch viel massiver und größer sind, erschüttert mich wirklich. Es geht nicht um eine einzelne politische Entscheidung, mit der man möglicherweise nicht einverstanden ist, sondern es geht um die Grundlage unseres Zusammenlebens. Um das Fundament der Demokratie. Und da müssten eigentlich die Demonstrationen noch viel, viel massiver sein.

Robert Menasse

Man braucht Empörung, um eine große Anzahl von Menschen auf die Straße zu bringen. Empörung verfliegt aber auch irgendwann. Man gewöhnt sich an Dinge. Es geht also eher darum, zu definieren, was wir stattdessen wollen. Was ist die politische Idee, die aus den Protesten folgen soll? Welche Formen von Organisation und Gemeinschaften sprechen sich gegenseitig Mut zu und spenden Trost spenden? Wie kann man sich, wenn der Rechtsruck eskaliert, gegenseitig helfen und sich schützen?

Tareq Sydiq
Robert Menasse (© Rafaela Proell/Suhrkamp) und Tareq Sydiq (© Ali Kanaan); Montage: radio3
Robert Menasse und Tareq Sydiq | Bild: Rafaela Proell/Suhrkamp | Ali Kanaan

Gäste

Robert Menasse

wurde 1954 in Wien geboren. Er studierte Germanistik, Philosophie sowie Politikwissenschaft in Wien, Salzburg und Messina. Menasse lehrte anschließend sechs Jahre – zunächst als Lektor für österreichische Literatur, dann als Gastdozent am Institut für Literaturtheorie – an der Universität São Paulo. Dort hielt er vor allem Lehrveranstaltungen über philosophische und ästhetische Theorien ab, u.a. über: Hegel, Lukács, Benjamin und Adorno. Seit seiner Rückkehr aus Brasilien 1988 lebt Robert Menasse als Literat und kulturkritischer Essayist hauptsächlich in Wien.

Tareq Sydiq

ist Protestforscher am Zentrum für Konfliktforschung in Marburg. Dort leitet er ein Projekt zu Protesten in Afghanistan und koordiniert ein Forschungsnetzwerk zu Postkolonialen Hierarchien. Der promovierte Politikwissenschaftler beschäftigt sich mit Protestbewegungen weltweit und forschte hierzu in Iran, Japan, Pakistan und England. 2024 erschien sein Buch "Die neue Protestkultur. Besetzen, kleben, streiken: Der Kampf um die Zukunft" bei hanserblau.