Menschen schwenkendie polnische und europäische Flagge während einer von Donald Tusk organisierten pro-EU Kundgebung © picture alliance / Sipa USA | SOPA Images
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Die Debatte mit Ann Kristin Schenten, Klaus Bachmann und Bartosz Wieliński - Polen - Zurück zur Demokratie?

"Polen ist in der Genesungsphase." (Bartosz Wieliński)

Wie können demokratische Strukturen wieder etabliert werden, nachdem sie demontiert wurden? Das kann unser Nachbarland Polen zeigen. Acht Jahre hat hier die rechtsnationale PiS-Partei den Staat entmachtet, die Gerichte infiltriert und die Medien kontrolliert. Seit Dezember 2023 regiert der liberalkonservative Donald Tusk. Ein Mann, den man in der Europäischen Union gut kennt und dem man vertraut. Welche Schritte geht Polen zur Re-Demokratisierung? Darüber diskutieren der Politikwissenschaftler Klaus Bachmann und Bartosz Wieliński, stellvertretender Chefredakteur der Gazeta Wyborcza, Polens größter liberaler Tageszeitung.

Ich wehre mich dagegen zu sagen, Polen ist jetzt demokratisch, weil die richtige Regierung im Amt ist. Oder weil die neue Regierung aus Demokraten besteht, wird es auch demokratisch ablaufen. Die aktuelle Regierung ist sehr heterogen. Das ist der größte Unterschied zur Vorgängerregierung. Es ist eine wilde Mannschaft, wo jeder darauf achtet, dass der andere sich nicht zu viel Macht sichert. Aber dadurch wird es hier weder rechtsstaatlicher noch demokratischer. Die Europäische Union hat gesagt, dass Polen ein Rechtsstaatsproblem hatte. Da kann ich nur sagen: Das habt ihr immer noch!

Klaus Bachmann

Es geht nach vorne. Zwar in einem Tempo, das manchmal zu langsam ist. Aber das muss so sein. Es ist nicht wie zu Zeiten der DDR, als Ostdeutschland quasi annektiert wurde. Ein solcher Wandel muss demokratisch und rechtsstaatlich funktionieren. Demokratie ist aber nicht sonderlich effektiv, zumindest nicht kurzzeitig. Aber ich bin zuversichtlich und glaube, dass wir bald einen Durchbruch sehen.

Bartosz Wieliński
Klaus Bachmann (© Privat) und Bartosz Wieliński (© Adam Stępień / Agencja Wyborcza.pl)
Klaus Bachmann und Bartosz WielińskiBild: Klaus Bachmann und Bartosz Wieliński

Gäste

Bartosz T. Wieliński, geboren 1978 in Katowice, ist seit 2019 stellvertretender Chefredakteur der polnischen Tageszeitung "Gazeta Wyborcza". Zwischen 2005 und 2009 hat er als Deutschlandkorrespondent in Berlin gearbeitet. Außerdem war er als Autor für die "New York Times", die "Süddeutsche Zeitung", "Die Welt", "El Pais" und "La Repubblica" tätig.

Klaus Bachmann, geboren 1963 in Bruchsal, ist Professor für Sozialwissenschaften an der SWPS Universität in Warschau. Er lehrt und forscht über Kolonialismus und Internationale Strafjustiz, u.a. in Polen, Frankreich, Südafrika, China und den USA. Vor 2004 Korrespondent für polnische und deutschsprachige Medien in Brüssel und davor Korrespondent für deutsche, österreichische und schweizer Medien in Mittelosteuropa.

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Debatte mit Natascha Freundel & Gästen - Der Zweite Gedanke

Hier wird nicht nur debattiert, hier wird auch zusammen nachgedacht. Über alles, was unser Miteinander betrifft. Bildung, Digitalisierung, Demokratie, Einsamkeit, Freiheit, Klima, Kultur, Städtebau, Visionen - die Themen liegen in der Luft, nicht erst, aber besonders deutlich seit der Corona-Pandemie. Jede Folge widmet sich einer Frage unserer Zeit. radio3-Redakteurin Natascha Freundel spricht jeweils mit zwei Gästen, die wissen, wovon sie reden. Philosophisch, aber nie abgehoben. Persönlich, aber nicht privat. Kritisch und konstruktiv. Hier soll es nicht knallen, sondern knistern. Immer auf der Suche nach dem zweiten, neuen Gedanken.