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Die Debatte Ann Kristin Schenten, Jürgen Kaube und Julia von Blumenthal - Der Nahostkrieg im Hörsaal

"Es geht den Akteuren oft nicht um Dialog." Julia von Blumenthal

Boykott, Störung, Abbruch. Berliner Hochschulen finden sich aktuell mitten in der teils scharf geführten Debatte um den Krieg in Nahost wieder. An der Berliner Humboldt-Universität wurde jüngst eine Veranstaltung abgebrochen, als pro-palästinensische Studierende lautstark gegen die Anwesenheit einer israelischen Verfassungsrechtlerin protestierten. Ein Dialog wurde seitens der Aktivisten abgelehnt. Doch auch der Umgang der Universitäten mit diesen Ereignissen wird zunehmend kritisiert.

Was machen diese Vorfälle mit unserer Debattenkultur und dem akademischen Raum? Wie schützt man die Meinungsfreiheit und gleichzeitig jüdische Studierende vor Antisemitismus? Jürgen Kaube, Mitherausgeber der F.A.Z., plädiert für Argumente statt Boykott im akademischen Streit. Julia von Blumenthal, Politikwissenschaftlerin und Präsidentin der Humboldt-Universität, wünscht sich eine Besinnung auf die Wissenschaftsfreiheit.

Die Störung einer Diskussion ist die Störung sowohl derjenigen, die pro wie derjenigen, die contra sind. Die kommen dann beide nicht mehr zum Zug. Wenn die Diskussion als solche unterbunden wird, werden auch die verständigen Pro-Palästinenser mundtot gemacht. Die Perspektive der Universität wäre, dass man bestimmte Kriterien für Sätze festlegt, die man an Universitäten sagen kann, und es bestimmte Sätze gibt, die in einem argumentativen Zusammenhang nicht genügen.

Jürgen Kaube

Bei unserer Veranstaltung war die Hoffnung der Organisationen und mir, dass man danach in ein Gespräch eintreten kann. Ich habe das angeboten. Das wurde nicht angenommen. Wobei ich interessant fand, dass man sehen konnte, dass die Gruppe sich darüber nicht einig war. Es gibt also welche, denen geht es wirklich um die mediale Inszenierung. Die sind im Grunde zufrieden, wenn sie mit der Handykamera den Film aufgenommen haben und das dann in die Social-Media-Kanäle verteilen können. Es gibt die anderen, wenn man diesen Dialog anbietet, die dann doch ins Nachdenken kommen, ob das nicht auch ein Weg wäre, weiter in Interaktion zu gehen.

Julia von Blumenthal
Jürgen Kaube (© F.A.Z. Frank Röth) und Julia von Blumenthal (© Philipp Plum / HU)
Jürgen Kaube und Julia von BlumenthalBild: F.A.Z. Frank Röth | Philipp Plum / HU

Gäste

Jürgen Kaube, geboren am 19. Juni 1962 in Worms, ist seit dem 1. Januar 2015 Herausgeber der F.A.Z. Er studierte zunächst Philosophie, Germanistik und Kunstgeschichte, dann Wirtschaftswissenschaften an der Freien Universität Berlin. 1992 begann er die regelmäßige Mitarbeit am Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Zuständig für Wissenschafts- und Bildungspolitik wurde er im August 2008 Ressortleiter für die "Geisteswissenschaften" und 2012 für "Neue Sachbücher" sowie stellvertretender Leiter des Feuilletons, bevor er 2015 Herausgeber der F.A.Z. wurde.

Julia von Blumenthal, geboren 1970 in Marburg, ist seit dem 01. Oktober 2022 Präsidentin der Humboldt-Universität zu Berlin. Sie studierte von 1989 bis 1996 Politikwissenschaft, Rechtswissenschaft und Slavistik (Russistik) in Heidelberg und Hamburg. Seit 2009 ist sie Professorin für Innenpolitik der Bundesrepublik Deutschland am Institut für Sozialwissenschaften der Humboldt-Universität. Hier übernahm sie 2010 das Amt der Studiendekanin, später der Dekanin der Philosophischen Fakultät III. 2014 wurde sie Gründungsdekanin der Kultur-, Sozial- und Bildungswissenschaftliche Fakultät. Vor ihrem Amtsantritt als Präsidentin der Humboldt-Universität war Julia von Blumenthal von 2018 bis 2022 Präsidentin der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder).

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