Die Debatte mit Natascha Freundel, Ronen Steinke und Christian Waldhoff -
"Es ist dringend geboten." (Ronen Steinke)
Unser 75jähriges Grundgesetz wird gerade wieder genauer gelesen, auch Art. 21 Abs. 2: "Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig." Was bedeutet dieser Satz für die politische Praxis, vor allem im Umgang mit der AfD? In den Umfragen vor den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg liegt die Partei weit vorn. Die sogenannte "Remigration" ist eines ihrer Kernthemen. Wie konkret solche Pläne zur Ausweisung auch "nicht-assimilierter deutscher Staatsbürger" werden können, hat kürzlich das Recherchezentrum Correctiv aufgedeckt. Seither sind Tausende gegen Rechtsextremismus auf die Straße gegangen, und viele fragen sich: Muss die AfD verboten werden?
"Ein Verbot ist überfällig", sagt der Jurist und SZ-Journalist Ronen Steinke. Der Staatsrechtler Christian Waldhoff bleibt skeptisch: "Das AfD Parteiprogramm enthält sogar Bekenntnisse zum Grundgesetz."
Ronen Steinke, geboren 1983 in Erlangen, ist rechtspolitischer Korrespondent der Süddeutschen Zeitung in Berlin, Dozent an der deutschen Richterakademie und Sachbuchautor. Er studierte Jura in Hamburg und Tokio und promovierte über Kriegsverbrechertribunale seit 1945. Sein Buch "Fritz Bauer. Oder: Auschwitz vor Gericht" (2013) wurde preisgekrönt verfilmt und in viele Sprachen übersetzt. 2017 erschien seine Recherche über den ägyptischen Arzt Mohamed Helmy: "Der Muslim und die Jüdin. Die Geschichte einer Rettung in Berlin". 2020 erschienen von ihm "Terror gegen Juden" und "Antisemitismus in der Sprache". In 2Vor dem Gesetz sind nicht alle gleich" (2022) kritisierte er eine "neue Klassenjustiz" in Deutschland. Sein Buch "Verfassungsschutz. Wie der Geheimdienst Politik macht" (2023) fasst intensive Recherchen u.a. zu Hans-Georg Maaßen zusammen. Im April 2024 erscheint von ihm und Nora Markard: "Jura not alone. 12 Ermutigungen, die Welt mit den Mitteln des Rechts zu verändern".
Christian Waldhoff, geboren 1965 in Paderborn, ist Professor für Öffentliches Recht und Finanzrecht an der Humboldt-Universität Berlin. Er studierte in Bayreth, Fribourg und München und promovierte mit einer Arbeit über "Verfassungsrechtliche Vorgaben für die Steuergesetzgebung im Vergleich Deutschland–Schweiz". Er habilitierte sich 2002 in München. Ab 2003 war er Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht an der Universität Bonn sowie Direktor des Instituts für Kirchenrecht. Zu seinen zahlreichen Büchern gehören "Recht und Konfession" (2016) und mit Horst Dreier: "Das Wagnis der Demokratie. Eine Anatomie der Weimarer Reichsverfassung" (2018). Mit Christoph Möllers war Waldhoff Bevollmächtigter des Bundesrats im NPD-Verbotsverfahren sowie im Ausschlussverfahren der Partei "Die Heimat", ehemals NPD, von der staatlichen Parteienfinanzierung.