Christian Thielemann, GMD Staatskapelle Berlin © Matthias Creutziger
Matthias Creutziger
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Werke von Henze und Bruckner - Christian Thielemann dirigiert die Staatskapelle Berlin

Bewertung:

Der Komponist Anton Bruckner ist für die Zusammenarbeit der Staatskapelle Berlin und ihres Generalmusikdirektors Christian Thielemann eine wichtige Adresse. Mit der Siebten Sinfonie hat es begonnen, mit der Fünften wurde es fortgesetzt. Und jetzt hat Thielemann die Sechste auf das Programm gesetzt. Kombiniert mit Hans Werner Henze, einem Komponisten, dem sich Thielemann ebenfalls durchaus verbunden fühlt.

Das Publikum ist natürlich da, die Staatsoper ausverkauft – abzüglich einiger freier Plätze zwischendurch, die Erkältungs- und Grippewelle ist noch nicht vorüber, was man phasenweise auch gehört hat …

Auch von der Politik ist das Konzert offensichtlich für wichtig genommen worden. Vom 1. Rang, 1. Reihe Mitte sahen und hörten Unions Kanzlerkandidat Friedrich Merz und Kultursenator Joe Chialo zu.

Die Glocke und die Drossel

Der sechsten Sinfonie von Anton Bruckner hatte Christian Thielemann das Orchesterstück "Sebastian im Traum" von Hans Werner Henze vorangestellt, angeregt von einem dreiteiligen Gedicht des Expressionisten und Symbolisten Georg Trakl. Allerdings nicht vertont, keine Singstimme, sondern allein für groß besetztes Orchester.

Das Gedicht enthält etliches, was zu einer musikalischen Umsetzung herausfordert – von einer Glocke ist die Rede oder von der Klage der Drossel. Der Komponist hat hier souverän eine Handgelenksübung vollbracht. Das ist nicht sein stärkstes Stück, aber dankbares Material für ein Spitzenorchester.

Umsetzung mit Mehrwert

Christian Thielemann nimmt sich die Zeit, um alles Detail für Detail umzusetzen. Er kostet das alles aus: vom Grummeln und Knurren am Beginn wie im Raubtiergehege bis hin zu intensiver Melodik, bei der man manchmal das Gefühl hat, dass da doch jemand singen würde.

Thielemann lässt es aus den Kontrasten leben – das ist schwermütige Spätromantik mit ein paar Dissonanzen durchsetzt (manchmal), und dann ist es so bewegt, dass da fast der Bär steppt. Diese liebevolle, detailverliebte Umsetzung macht mehr aus dem Werk als eigentlich drinsteckt.

Kirche und Kneipe

Die sechste Sinfonie von Anton Bruckner, pausenlos angefügt, macht da weiter, kontrastreich und melodisch. Wo Christoph Eschenbach wenige Wochen zuvor bei seinem Geburtstagskonzert mit dem Konzerthausorchester blockhaft vor allem das Machtvolle herausmeißelte, legt Christian Thielemann geradezu detailversessen Motive wie mit dem Seziermesser frei.

Er versteht Bruckners Sinfonie in ihrer Vielschichtigkeit. Da ist – natürlich – das Feierliche, Majestätische, das Religiöse in seiner ganzen Klangpracht. Aber wenige Momente später fühlt man sich ins Wirtshaus versetzt. Bruckner das hat gerne besucht, als junger Musiker auch oft dort aufgespielt. Und er hat auch das verkomponiert. Diese Kombination aus Kirche und Kneipe, aus Geistlichem und Weltlichem geht hier ideal auf.

Ideale Kombination

Und die Staatskapelle? Auch diesmal hörte man die Freude, mit dem Wunsch-Generalmusikdirektor zusammenarbeiten zu können. Unvergessliche Momente auch hier: das traumhafte Oboensolo am Beginn des langsamen Satzes, die kuschelweiche Wärme in den Streichern. Schöner geht es fast nicht.

Andreas Göbel, radio3