Kirill Petrenko dirigiert die Berliner Philharmoniker beim Konzert zur Saisoneröffnung.
Stephan Rabold/Berliner Philharmoniker
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Saisonauftakt der Berliner Philharmoniker - Kirill Petrenko dirigiert die fünfte Sinfonie von Bruckner

Bewertung:

Zum Bruckner-Jahr anlässlich des 200. Geburtstags des Komponisten hat sich jetzt auch Kirill Petrenko erstmalig am Pult der Berliner Philharmoniker an eine Sinfonie von Anton Bruckner gewagt. Und da musste es natürlich ausgerechnet die monumentale Fünfte sein.

Schon aus diesem Grund war es ein besonderer Saisonauftakt. Aber auch, weil es neben dem erwartbaren Jubel sogar einen Buhruf gab. Was war los?

Die Frage stellte sich: Kann sich Kirill Petrenko in die Reihe der großen Bruckner-Dirigenten einordnen? Nach diesem Abend ist klar: leider nein. Das war zwar eine rekordverdächtige Aufführung, aber leider nur in Sachen Aufführungsdauer. Wo das Werk sonst zwischen 80 und 90 Minuten braucht, reichten hier 73. Aber das sind eben nicht die Olympischen Spiele, und für Tempo allein bekommt man bei der Musik selten einen Preis.

Ohrstöpsel erwünscht

Diese fünfte Sinfonie ist selbst für Bruckners Verhältnisse ein monumentales Werk. Was er hier an Struktur, Polyphonie, Kontrapunktik und Stimmenvielfalt zusammengezwungen hat, ist eine riesige gotische Kathedrale. Das braucht Raum, Platz und vor allem das richtige Verhältnis aller einzelnen Elemente zueinander.

Wenn es bereits beim ersten Fortissimo nach gut einer Minute in der Philharmonie dröhnt, dass man Angst hat, das Haus kracht zusammen, hat man schon alles falsch gemacht, was man falsch machen kann. Die Kunst gerade bei dieser Sinfonie ist eine kluge Dosierung. Man muss die vielen Höhepunkte abstufen und manches zurückhalten und sich für das Ende aufsparen. Wäre dies ein Popkonzert gewesen, hätte man am Eingang Ohrstöpsel ausgeben müssen.

Immerhin: die Berliner Philharmoniker

Da kann man glücklich sein, dass bei einer solchen Herangehensweise die Berliner Philharmoniker auf dem Podium saßen. Wenn gerade das Finale dermaßen durchgepeitscht wird, wäre fast jedes andere Orchester eingegangen. Hier hört man durch das Gestrüpp bemerkenswert viel durch. Was das Technische betrifft, funktioniert es grandios.

Kirill Petrenko ist ein Kontrollfreak und hat immerhin das immer im Griff. Und wo es tatsächlich seitens der Partitur leise ist, beginnt es wie ein gut geschliffener Diamant zu funkeln. Aber das allein ist für den Anspruch der Philharmoniker zu wenig.

Berliner Konkurrenz

Wie es gehen kann, hat vor ein paar Monaten die Staatskapelle Berlin unter ihrem neuen Generalmusikdirektor Christian Thielemann bewiesen. Auch da gab es diese Sinfonie, und Thielemann, der bekanntermaßen musikalisch kein Kostverächter ist, hat diesen Brocken so zubereitet, dass er auf der Zunge zergangen ist. Vom ersten Takt an wusste er, wo er am Ende landen wollte. Und das mit einer klaren Dramaturgie und fein abgestimmten Gewürzen.

Kirill Petrenko ist leider wieder in seinen alten Fehler verfallen (man kennt es, seit er in Berlin Chef an der Komischen Oper war), von Anfang an zu viel zu machen. Und das ist bei Bruckner ein böses Verhängnis. Der Satz, den schon Goethe zitiert hat, nämlich "Wer schreit, hat unrecht", gilt hier besonders. Und weil Petrenko seinen Hang zum Fortississimo offenbar nicht in den Griff bekommt, kann es für ihn nur bedeuten: Finger weg von Bruckner!

Andreas Göbel, radio3

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