Staatsballett Berlin: Ein Sommernachtstraum – hier: Cohen Aitchison-Dugas (Theseus | Oberon) und Leroy Mokgatle (Puck); © Yan Revazov
Yan Revazov
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Staatsballett Berlin | Deutsche Oper Berlin - "Ein Sommernachtstraum"

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Ein wildes Liebeswirrwarr im nächtlichen Elfen-Zauberwald hat William Shakespeare in einer seiner beliebtesten Komödien in Szene gesetzt. In seinem "Sommernachtstraum" wird unter dem Einfluss verschiedener Zaubersäfte kreuz und quer und durcheinander geliebt. Shakespeares Wirrwarr der Leidenschaften war Vorlage für den rumänisch-slowenischen Choreografen Edward Clug bei seiner ersten Zusammenarbeit mit dem Berliner Staatsballett. Sein "Sommernachtstraum" hatte gestern Uraufführung in der Deutschen Oper Berlin als zweite große Premiere für das Berliner Staatsballett in dieser Saison.

Edward Clug, seit langem Künstlerischer Leiter des Balletts am Slowenischen Nationaltheater in Maribor, hat viel Komödie inszeniert, auch viele Albernheiten, aber kaum herkömmlichen, eigentlich erwartbaren Elfenzauber, sondern eher etwas Naturalistisch-Märchenhaftes.

Eine eigenwillige Fassung – fantasievoll und klug unterhaltend

Shakespeares "Sommernachtstraum" ist oft als Ballett inszeniert worden und es gab in der Ballettgeschichte die verschiedensten Interpretationen - von der reinen Elfen-Romantik bis hin zur kritisch-feministischen Lesart. Edward Clug will nun einfach nur die Story erzählen, relativ nah an Shakespeare, ohne interpretatorischen Ehrgeiz, dafür mit dem Wunsch, fantasievoll und gut zu unterhalten. Und tatsächlich ist das eine durchaus eigenwillige Choreografie mit einigen überraschenden szenischen Einfällen.

Überraschende Einfälle

So beginnt alles zum Beispiel nicht in Athen, sondern an einem Strand, an dem sich die Elfen sonnen und das Elfenkönigspaar Oberon und Titania auf einem Surfbrett mit Rollen über die Bühne schwebt – daraus ergibt sich zwar weiter nichts, ist aber ein hübscher Einfall.

Der Elfenzauberwald bleibt geheimnisvoll versteckt hinter einer sehr hohen halbrunden Holzwand, die eine Art Arena für die Handlung ist. Den Zauberwald sieht man nur, wenn eine Tür im Halbrund geöffnet wird, wenn die Elfen auf die Bühne kommen. Das wesentliche Bühnenelement ist ein riesiger Felsbrocken, der wie eine Laufsteg-Rampe schräg aufragt und immer wieder über die Bühne gefahren wird.

Bei den Figuren hatte Edward Clug die Idee, die Herrscherpaare, also Oberon und Titania und Herzog Theseus und seine Braut, die Amazonenkönigin Hippolyta von denselben Tänzern darstellen zu lassen – eine ökonomische Entscheidung, inhaltlich akzeptabel, aber auch nicht von großem Nutzen.

Staatsballett Berlin: Ein Sommernachtstraum – hier: Ross Martinson; © Yan Revazov
Ross Martinson | Bild: Yan Revazov

Komödie, Massenszenen und eine Gottesanbeterin

Den größten Aufwand betreibt Edward Clug bei der Ausstattung und beim Inszenieren seiner Komödie, die er immer wieder forciert. Etwa bei den Handwerkern, die im Wald ein Theaterstück für die Herrscherhochzeit proben: die fünf sind tumbe Toren, sind lustige Karikaturen von Schlichtheit und Ahnungslosigkeit. Dazu gibt es einige große Massenszenen, einmal mit 30 Waldelfen in Ganzkörperkostümen mit floralen Mustern, die Hände sind große Blütenblätter, die Hauptelfen sind Käfer, Schmetterling und Spinne, eine riesige Gottesanbeterin hat einen Auftritt in einer Art Riesen-Rollator.

Beschwörung des Magischen

Die beiden jungen Liebespaare, deren Gefühle im Zauberwald dank des Liebessaftes von Puck völlig durcheinandergeraten, inszeniert Clug als betont liebenswert-unschuldige Liebende, sie sollen Sympathieträger sein.

Bei ihnen wirkt manches allerdings wie Varieté, wenn sie etwa an Seilen hängend in die Höhe gezogen werden – das sind Momente, mit denen Clug im zweiten Teil seiner Choreografie das Imaginäre, Magische, Zauberreich-Zugehörige beschwören will.

Handlung verständlich und schlüssig erzählt

Die Verwandlungsszenen, wenn Puck den Liebeszaubersaft auf die Augen der falschen Personen träufelt, erzählt Edward Clug fast realistisch. Elfenkönigin Titania liebt dann halt den Handwerker, der gerade in einen Esel verwandelt wurde und die jungen Männer tapsen liebestrunken und tölpelhaft der falschen Frau hinterher.

Das erzählt Edward Clug wie die gesamte Handlung verständlich, schlüssig und nachvollziehbar. In diesen Sommernachtstraum kann man auch mit Kindern gehen – zumal Edward Clug alles Erotische, Sexuelle, alles untergründig Widerständige bei Shakespeare geglättet hat – das ist eine schlichte Erzählung, wenig subtil oder tiefendifferenziert.

Tanz, Tänzerinnen und Tänzer

Beim Tanz hat sich Clug relativ wenig einfallen lassen, die Tänzer müssen vor allem schauspielerisch viel leisten und es gibt überraschend viel Pantomime, die als altehrwürdige Erzähltechnik aus dem Ballett der Moderne eher verschwunden ist. Tanzstilistisch ist das eine Unterforderung für die Tänzerinnen und Tänzer, etwa in den reliefartigen oder griechisch-antik-skulpturalen Körperbildern. Cohen Aitchison-Dugas als Oberon und Theseus muss viel Helden-Muskel-Männlichkeit präsentieren, was er ehrenhaft gestaltet. Weronika Frodyma darf als Hippolyta und Titania kaum mächtige Königin sein, wie ohnehin die Frauenfiguren, auch bei den jungen Liebespaaren, als eher schwache Personen gezeichnet sind. Insgesamt konnte sich keine und keiner aus dem Junge-Liebenden-Tänzer-Quartett wirklich auszeichnen.

Einzig wirklicher Lichtblick ist die Darstellerin des Puck, die Südafrikanerin Leroy Mokgatle, die non-binäre Tänzerin, die das Pronomen "sie" bevorzugt. Allein durch sie kommt etwas Widersprüchliches, Nicht-Glattes, Widerständiges, etwas Rätselhaftes in diese Choreografie.

Die Musik - ein Auftragswerk von Milko Lazar

Die Musik des Komponisten Milko Lazar, mit dem Clug schon seit vielen Jahren zusammenarbeitet, ist theatral und szenisch und setzt mit viel Percussion und Schlagzeug stark auf Rhythmen. Erzählerische Spannung erzeugt Lazar mit Streichern und Bläsern. In den besten Momenten wirkt seine Musik wie Minimal Music für die Theaterbühne.

Insgesamt ist dieser "Sommernachtstraum" etwas bieder und plakativ – weil er auch durchaus eigenwillig inszeniert ist, kann man sich die Choreografie anschauen, die aber - anders als die anderen Staatsballett-Stücke - kein Muss ist.

Frank Schmid, radio3

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