Berlin Ballet Company - "A Techno Ballet Odyssey"
Es sollte die "ungewöhnlichste Premiere des Ballettjahres" und das "aufregendste Techno-Event in Berlin seit langem" sein. So wurde das Tanz-Event "A Techno Ballet Odyssey" der Berlin Ballet Company angekündigt. Gestern war Uraufführung im Kraftwerk in Berlin-Mitte.
Techno-Musik trifft auf Ballett-Tanzkunst und das an einem spektakulären Ort: in den riesigen Betonhallen des früheren Heizkraftwerkes in Mitte. Dieses Spektakel-Event-Kalkül ist aufgegangen.
Spektakel-Event-Kalkül und After-Work-Party
Immerhin 1.500 bis 2.000 Zuschauer wollten die Uraufführung trotz der knapp 60 Euro Eintritt sehen. Allerdings ist trotz Star-DJ Marko Nastić aus Belgrad keine richtige Techno-Party-Atmosphäre aufgekommen. Das könnte auch am eher höheren Altersdurchschnitt des Publikums gelegen haben – es waren wenige Zuschauer in ihren 20er Jahren, die Mehrheit war älter und der Abend hatte ein wenig den Charakter einer After-Work-Party.
Die neue Berlin Ballet Company
Zur Berlin Ballet Company gehören fast ausschließlich frühere Tänzerinnen und Tänzer des Berliner Staatsballetts, die im letzten Jahr vom neuen Staatsballett-Intendanten Christian Spuck nicht übernommen worden waren - alles exzellente Tänzerinnen und Tänzer, weit entfernt vom Altenteil. Sie haben im August des letzten Jahres die Company gegründet, mit der sie viel vorhaben, internationale Tourneen sind geplant. Im November 2023 hatte die Berlin Ballet Company ihren ersten, kleinen, leider schwachen Abend im Pfefferberg Theater und diese "Techno Ballet Odyssey" ist der erste richtig große, auf insgesamt fünf Stunden angelegte Tanzabend der Company.
Techno-Musik von Star-DJ
Es gab Techno-Musik vor und nach der eigentlichen Tanzshow der Tänzerinnen und Tänzer – die Zuschauer sollten, so die Idee, tanzen, vielleicht sogar mit den Tänzern der Company, was allerdings nicht funktioniert hat. Nach der Show haben vielleicht 50 bis 60 Menschen getanzt, weniger als an der Garderobe standen, um ihre Sachen abzuholen. Dabei hatte DJ Marko Nastić nach der Tanzshow sehr tanzbaren Techno aufgelegt – zu den Tanzszenen der acht Tänzerinnen und Tänzer war die Musik überraschend ruhig und dramatisch, zur Dramaturgie der Tanzeinlagen passend.
Tanz-Show bleibt Stückwerk
Allerdings funktioniert diese "Techno Ballet Odyssey" auch aus Tanzkunst-Perspektive nicht, was vor allem an der Schwäche des choreografischen Materials liegt. Das ist nur Stückwerk und bleibt unklar, ist weder erzählerisch noch abstrakt. Es ist nicht zu erkennen, wer aus welchen Gründen mit wem tanzt. Es gibt im Tanz keine Geschichten und zugleich sind die Bewegungen beliebig, was auch am Raum und am Gesamtkonzept des Abends liegt.
Überdeutliche grelle Bewegungen – expressive Oberfläche
Getanzt wird zumeist auf drei großen Podesten in den Kraftwerkshallen, das Publikum drängelt sich davor, denn die Sichtachsen sind oft durch dicke Betonpfeiler verstellt. Damit aus der Distanz überhaupt etwas zu sehen ist, müssen die Tanzbewegungen groß und überdeutlich sein, können nicht subtil, hintergründig oder zart erzählen. Und so wirkt alles grell, überzeichnet und expressiv-exaltiert, vor allem die eher sportiv-akrobatischen Hebungen, das Spreizen und Dehnen und Winden. Die Bein- und Fußarbeit ist im Klassischen Ballett angesiedelt, es wird sogar oft auf Spitze getanzt, ab der Hüfte aufwärts ist das aber eher Show- und Revue-Tanz – passend zur sexy Lack-Leder-Netzhemd-Erotik-Kleidung der Tänzer. Aber all das ekstatisch-konvulsivische Räkeln und Posieren reicht nie in wirkliche Erfahrungs- und Empfindungstiefen – das bleibt expressive Oberfläche.
Die beiden Choreografen
Aus Tanzkunst-Perspektive ein leider enttäuschender Abend, was durchaus verwunderlich ist, denn die beiden Choreografen Alexander Abdukarimov, derzeit noch Tänzer beim Berliner Staatsballett und Arshak Ghalumyan, bis zum letzten Jahr beim Staatsballett, haben durchaus Erfahrung im Choreografieren, wenn auch noch nicht allzu viel. Gerade von Arshak Ghalumyan, als Tänzer immer sehr zu bewundern, wäre doch mehr zu erwarten gewesen.
Weder Party noch Tanzkunst
Immerhin gab es Zuschauer, denen der Tanz gefallen hat, die vielleicht beeindruckt waren von den körperlichen Fähigkeiten der Balletttänzerinnen und -Tänzer, zumindest gab es immer wieder Szenenapplaus.
Man wünscht dieser Company wirklich Erfolg, die Company-Gründung ist ja durchaus riskant, die Gründer und die Tänzer sind absolut sympathisch, nur leider konnten sie auch hier wieder nicht zeigen, was sie wirklich können.
Die Idee, Ballett-Tanzkunst und die Welt der Techno-Partys miteinander zu verbinden ist gut, wenn auch nicht weiter ungewöhnlich – aber dieser Abend funktioniert als Tanzabend nicht und als Techno-Party-Event nur mäßig.
Frank Schmid, radio3