Komödie am Kudamm: Keiner hat gesagt, dass Du ausziehen sollst © Oliver Fantitsch
Oliver Fantitsch
Bild: Oliver Fantitsch Download (mp3, 12 MB)

Komödie am Kürfürstendamm im Ernst-Reuter-Saal - "Keiner hat gesagt, dass Du ausziehen sollst" von Nick Hornby

Bewertung:

In dem neuen Stück, das am Wochenende in der Komödie am Kurfürstendamm Premiere feierte, geht es um die Ärztin Louise und ihren arbeitslosen Mann, einen Musikkritiker. Die kriselnde Ehe soll eine Eheberatung richten, vor jeder Sitzung treffen sich die beiden im Pub gegenüber und diskutieren über die schwindende Liebe - und den Brexit. Geht auch ihre Ehe in die Brüche?

Eine urige Kneipe, dunkle Holztische, hölzerner Tresen – mit nur zwei Gästen: Tom und Louise. Toms Bein wippt nervös, als Louise durch die Tür kommt, ihrer verlegenen Umarmung weicht er demonstrativ aus. Dass ihr einiges im Argen liegt, erklärt sich von selbst. Und doch muss es wortreich besprochen werden. Schließlich stecken die Beiden in einer waschechten Ehekrise: Louise ist fremdgegangen und jetzt stellt sich die Frage – Trennung oder Neuanfang?

Komödie am Kudamm: Keiner hat gesagt, dass Du ausziehen sollst © Oliver Fantitsch
Bild: Oliver Fantitsch

Wobei Tom nicht gerade der Typ für große Veränderungen ist. Ein schluffiger, aber intellektuell wacher Besserwisser, inzwischen arbeitsloser Musikkritiker, der eher auf der depressiven Seite des Lebens hängt und kaum das Haus verlässt. Louise ist sein Gegenstück: eine toughe Ärztin mit langen Arbeitstagen, die nebenher auch noch den kompletten Haushalt schmeißt und sich um die beiden Kinder kümmert. Tja, was könnte hier wohl das Problem sein?

Auf einen Warm-up-Drink vor der Eheberatung

Jede Woche treffen sie sich nun in der Eckkneipe und machen den Warm-up-Drink vor dem Termin zur Eheberatung zur eigentlichen Therapiesession. So jedenfalls hat es der britische Bestseller-Autor Nick Hornby in seiner Fernsehserie "State of the Union" angelegt. In zehn Folgen wird sich hier so pointen- und metaphernreich der Beziehungsschutt um die Ohren gehauen, wie das im realen Leben nie möglich wäre. Denn natürlich nahm das Übel nicht erst mit Louises Seitensprung den Anfang. Der eheliche Sex liegt im Tiefschlaf und für den Alltag des anderen interessiert sich das Paar herzlich wenig.

Was waren das für Zeiten, als man sich noch leidenschaftlich gestritten hat. "Du hast mit Teetassen nach mir geworfen!" erinnert sich Tom. Louise ergänzt: "Was waren wir leidenschaftlich!" Und er: "Aber heute haben wir mehr Teetassen."

Komödie am Kudamm: Keiner hat gesagt, dass Du ausziehen sollst © Oliver Fantitsch
Bild: Oliver Fantitsch

Musikszenen bringen Drive ins Konversationsstück

Die zehn Szenen lassen sich auf der Bühne gut zum Kammerspiel mit zwei Hauptdarsteller:innen adaptieren. Nina Kronjäger und Heiko Senst spielen nicht psychologisch genau, sondern springen mit großem Anlauf auf jede Pointe und holen sich dadurch viele Lacher uns Szenenapplaus ab. Heiko Senst streut ein paar zusätzliche Sparwitze ein, sodass seine Figur noch ein wenig bräsiger erscheint. Und Nina Kronjäger gibt Louise noch ein bisschen lauter und zickiger als in Hornbys Drehbuch.

Komödie am Kudamm: Keiner hat gesagt, dass Du ausziehen sollst © Oliver Fantitsch
Bild: Oliver Fantitsch

Und so reiht sich in der ersten Hälfte die immer gleiche Szene in fünf Varianten an die nächste. Im selben Pointen-Abfisch-Ton, im selben Rhythmus. Erst nach der Pause ändert sich das zum Glück. Dann kommen tatsächlich einige Themen auf den Tisch, die wehtun. Etwa, wenn ausgesprochen wird, warum die beiden keinen Sex mehr haben. Wie gelangweilt Louise von Tom ist, wie gedemütigt er sich deshalb fühlt.

Zudem bringt Amina Gusner Musikszenen ein, die im Text nicht angelegt sind – und einigen Drive ins Konversationsstück bringen. Auf der Karaoke-Bühne der Kneipe schmettert der Musikkritiker Tom seiner Frau einen Klassiker nach dem anderen – aber was immer er tut, es ist stets der falsche, um Louises Herz zu rühren. Das ist tatsächlich ziemlich komisch.

Hornbys Brexit-Vergleich - nur ein Lacher unter vielen in der Berliner Aufführung

Allerdings tun sich hier und da Transfer-Probleme auf. Wo spielt dieses Stück nun eigentlich? Die gigantische "Astra"-Bierwerbung überm Tresen lässt Hamburg vermuten (hier hatte der Abend zuerst Premiere, im Winterhuder Fährhaus). Doch bezahlt wird in Pfund und der Brexit ist gleichermaßen Thema.

Denn der Titel der Fernsehserie "State of the Union" bezieht sich auf eben diesen EU-Austritt der Briten: Nick Hornby vergleicht (eher wenig ertragreich) den Zustand des Landes mit dem von Toms und Louises Beziehung. Darunter liegt die Frage, ob man in einer Ehe unterschiedliche politische Ansichten haben darf. Tom eröffnet Louise in der Kneipe nämlich, dass er für den Brexit gestimmt hat – und sie ist fassungslos. In Großbritannien ist die Brexit-Frage in etwa so dramatisch wie die die Entscheidung für oder gegen Trump oder die AfD. In Berlin wird sie zu einem kleinen Lacher unter vielen.

Garaniert ein Publikumshit

Die Inszenierung versucht Nick Hornbys Drehbuch, das mitunter eher in seichten Gewässern nach Pointen fischt, mit noch mehr Knallern und Musik aufzuhelfen. Das gelingt unterhaltsam, schmissig und unsentimental und garantiert der Komödie am Ku'damm einen Publikumshit. Mit den abgründigen Wohnzimmerschlachten und Ehekomödien von Edward Albee und Yasmina Reza ist das allerdings keinesfalls vergleichbar.

Barbara Behrendt, radio3

Weitere Rezensionen

Gorki Theater: Carmen © Ute Langkafel MAIFOTO
Ute Langkafel MAIFOTO

Maxim Gorki Theater - "Carmen" nach Georges Bizet

Carmen - dieser Name steht für Femme Fatale, Freiheit, Verruchtsein und Flamenco. Für eine stolze und starke Frau mit Feuer und Leidenschaft. Dass diese Attribute dem Namen Carmen zugeschrieben werden, ist vor allem George Bizet zu verdanken. Seit der Uraufführung seiner gleichnamigen Oper im Jahr 1875 gilt "Carmen" als die meistgespielte Oper der Welt und die Titelheldin als Opernikone. Gestern hatte die neue "Carmen"-Produktion am Maxim Gorki Theater unter der Regie von Christian Weise Premiere.

Download (mp3, 12 MB)
Bewertung:
Hans Otto Theater: Blutbuch © Thomas M. Jauk
Thomas M. Jauk

Hans Otto Theater - "Blutbuch" nach dem Roman von Kim de l’Horizon

Was ist das Ich? Die Erzählperson Kim fühlt sich fremd in ihrem Körper angesichts einer Welt, die nach eindeutigen Zuordnungen verlangt und Menschen in strikter Zweiteilung entweder als Mann oder Frau kategorisiert. Doch was ist mit allen, die nicht hineinpassen in diese Schemata? Kim de l’Horizons mit dem Deutschen und Schweizer Literaturpreis prämierter Roman ist eine schonungslos radikale Selbstbefragung. Kieran Joel bringt sie am Potsdamer Hans Otto Theater auf die Bühne.

Download (mp3, 13 MB)
Bewertung:
Meo Wulf und Christine Groß © ALAA ELKAMHAWI
ALAA ELKAMHAWI

Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz - "Conni und Clyde" von Meo Wulf

Große Liebe ist das Thema der neuen Volksbühnen-Produktion "Conni und Clyde", und es ist kein Zufall, dass der Titel sehr nach Bonnie und Clyde klingt, dem berühmten Gangsterpaar, das 1934 in den USA von Kugeln durchsiebt wurde. Die Regie liegt in den Händen der Drag-Künstlerin Meo Wulf, die auch selbst auf der Bühne steht.

Download (mp3, 14 MB)
Bewertung: