Globe Berlin: Brief an den Vater © Thorsten Wulff
Thorsten Wulff
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Globe Berlin | Open Air-Theater - "Brief an den Vater" von Franz Kafka

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1919 schrieb Kafka einen Brief, den er nie abschickte – 103 handschriftliche Seiten. Der "Brief an den Vater" gilt heute als Schlüsseltext und wird auch im Theater immer wieder gespielt – jetzt auch open air im Globe Berlin von Anette Daugardt und Uwe Neumann.

Die Beziehung, die Kafka in seinem Brief schildert, ist toxisch. Der Sohn will sich von seinem übermächtigen, jähzornigen Vater lösen, doch er kann es nicht, weil er das Gefühl hat, in dessen Schuld zu stehen. Weil er es nicht wagt, offen mit dem Vater zu sprechen, schreibt er den Brief, der in der Inszenierung zur Videobotschaft wird.

Die Darstellerin Anette Daugard tut so, als würde sie einen Geburtstagsgruß in eine Kamera sprechen. Sie winkt ihren Mitspieler Uwe Neuman heran, der Tuba spielt, und sie begleitet, als sie für den Vater "Happy Birthday" singt – erst hell und fröhlich, dann immer tiefer – bis die Stimmung so bedrückend ist, dass sie mit Kafkas Originaltext beginnen kann:

"Du hast mich letzthin einmal gefragt, warum ich behaupte, ich hätte Furcht vor Dir. Ich wußte Dir, wie gewöhnlich, nichts zu antworten, zum Teil eben aus der Furcht, die ich vor Dir habe…"

Furcht als roter Faden

Furcht ist der rote Faden der Inszenierung. Sie wird nicht dramatisch ausgestellt, sondern kühl analysiert. Annette Daugard spricht ruhig und nutzt Requisiten, um Akzente zu setzen. Als es darum geht, dass Kafka sich als Kind seinem Vater ausgeliefert fühlte und bei ungebührlichem Betragen gepackt und draußen vor die Tür gestellt wurde, hat sie einen Kinderschlafanzug in den Händen. Bei der Beschreibung eines Abendessens, bei dem der Vater Benimmregeln aufstellt, an die er sich selbst nicht hält, thront sie auf einem Podest und bindet sich das Tischtuch um den Hals.

Uwe Neumann lässt seine Tuba bedrohlich brummen und grunzen. Das Instrument, das an einigen Stellen, die Stimme des Vaters imitiert, wird zum Mitspieler.

Globe Berlin: Brief an den Vater © Thorsten Wulff
Bild: Thorsten Wulff

Gelungene Inszenierung, kompakte Fassung

Als der alte Herr, andere Menschen als Ungeziefer beschimpft, bekommt der Sohn einen Alptraum, in dem er selbst zum Insekt wird. Motive aus der Erzählung "Die Verwandlung" werden geschickt ins Stück eingebunden. Darsteller Uwe Neumann krabbelt dabei auf allen Vieren über den Boden und trägt die Tuba wie einen Insektenpanzer auf dem Rücken – ein markantes Bild.

Insgesamt eine gelungene Inszenierung, die Kafkas "Brief an den Vater" in einer kompakten Fassung auf die Bühne bringt. Die Spieldauer beträgt nur eine gute Stunde. Doch die ist sehenswert.

Oliver Kranz, radio3

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