Die Mittagsfrau © Wild Bunch Germany / Lucky Bird Pictures
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Drama - "Die Mittagsfrau"

Bewertung:

Der Roman "Die Mittagsfrau" der Berliner Schriftstellerin Julia Franck, erschienen im Jahr 2007, entwickelte sich zu einem Bestseller. Nun hat sich Regisseurin Barbara Albert an den Stoff gewagt und die Hauptfigur mit der spannenden Newcomerin Mala Emde besetzt. Schon 2020 sorgte Emdes Darstellung in dem politischen Selbstfindungsdrama "Und morgen die ganze Welt" für eine Oscar-Nominierung.

So idyllisch die Landschaft, so düster das Zuhause, in dem Helene mit ihrer Schwester aufwächst. Seitdem der Vater vermisst wird, droht ihre jüdische Mutter dem Wahnsinn zu verfallen. Die beiden Schwestern ergreifen die erstbeste Gelegenheit, die Lausitz zu verlassen und in die Großstadt zu ihrer Tante zu flüchten.

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Liebe und Tod

Es sind die 20er Jahre in Berlin. Während ihre Schwester die freie Liebe und den Rausch der Drogen entdeckt, hat Helene nur ein Ziel: Medizin zu studieren und Ärztin zu werden. Und sie lernt den Studenten Karl kennen, der - wie sie auch - die Literatur über alles liebt.

Während die beiden in Karls Bett liegend Else Lasker-Schüler zitieren, ihre Liebe und ihre Körper entdecken, steht Deutschland vor der nächsten politischen Katastrophe. Die Nationalsozialisten sind auf dem Vormarsch. Karl wird bei einer Demonstration vor dem Brandenburger Tor ums Leben kommen. Und Helene wird versuchen, weiter zu leben. Ohne ihn: ihre große Liebe.

Sie wird im Krankenhaus arbeiten, einen neuen Mann kennenlernen – sie werden heiraten, einen Sohn bekommen. Ihre Ehe aber ist so unglücklich, wie sie nur sein kann zwischen einem strammen Soldaten und einer freiheitsliebenden jungen Frau.

Eine Frau zwischen Kriegen und Konventionen

"Die Mittagsfrau" erzählt von einer jungen Frau, die durch die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen geschleudert wird, die ihre Träume verliert, ihre Weichheit und Lebensfreude. Sie muss sich mit gesellschaftlichen Rollenangeboten und Bildern auseinandersetzen: Damit, was es heißt, Frau und Mutter zu sein. Und eine Entscheidung treffen muss.

Über einen Zeitraum von 30 Jahren begleiten wir diese Helene. Und erleben ihr Frau-Werden auch als einen sehr körperlichen Prozess: Helene als verspieltes Mädchen vom Lande, wissbegierig und lebenshungrig, sich ihrer selbst und ihrer Schönheit erst langsam gewiss werdend, um dann alles in Frage zu stellen, alles zu verlieren.

Während die historischen Umbrüche – ohne etwas auszulassen - im Hintergrund bleiben, erschließt sich langsam die Resolutheit mit der diese Frau für ein eigenes Leben kämpft.

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Weibliche Geschichtsschreibung wird zur Selbstverständlichkeit

Die kluge, leise Art mit der die 27-jährige Mala Emde die Komplexität ihrer Figur entfaltet, geht Hand in Hand mit der Leidenschaft von Regisseurin Barbara Albert für starke weibliche Charaktere. Auch mit dieser Literaturverfilmung sorgt sie – wie schon 2017 in dem Historiendrama "Licht" mit Maria Dragus - für herausfordernde Rollen und die feste Verankerung junger Schauspielerinnen. Und noch wichtiger: Weibliche Geschichtsschreibung wird mit dieser Regisseurin nicht nur greifbar, sie wird zur Selbstverständlichkeit.

Christine Deggau, rbbKultur