Berliner Ensemble, Vorhang aus den Zeiten Bertolt Brechts mit einer Friedenstaube © dpa/Jens Kalaene 
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Die Debatte mit Natascha Freundel, Carsten Brosda und Hanno Rautenberg - Der Krieg und die Kunst

"Offene Wunden aushalten." (Carsten Brosda)

"Glaubt noch jemand an kommunikative Vernunft?" – so fragte kürzlich der Kunsthistoriker Hanno Rauterberg in der Wochenzeitung "Die Zeit". So fragen sich viele angesichts der Verwerfungen im Kunst- und Kulturbetrieb nach dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023. Die allgemeine Ratlosigkeit, konstatiert Rauterberg, werde kompensiert durch Blame-Gaming und Vereinfachungen, durch vorschnelle Positionierungen in Offenen Briefen, Protestaktionen, Rücktritten, Austritten, Absagen. Dabei müsse gerade die Kunst "mehr Störung" wagen und mehr Spiel zeigen, meint Carsten Brosda, Präsident des Deutschen Bühnenvereins und Kultursenator in Hamburg. Sind wir womöglich in einer "Idealsituation", um kommunikative Vernunft neu zu lernen?

Tucholsky hat mal in den 20er Jahren so schön gesagt: 'Es wehte in der Öffentlichkeit ein reinerer Wind, wenn nicht immer alle übel nähmen.' Dieses Übelnehmen können wir richtig gut. Wir unterstellen einander momentan immer erstmal das Schlimmste. Barack Obama hat vor ein paar Wochen gesagt: Es wäre schon sinnvoll, wenn wir anfangen würden, im Gespräch nicht davon auszugehen, dass der andere das Übelste will, was ich mir vorstellen kann. Sondern vielleicht auch ein Interesse daran hat, dass das gemeinsam gut geht. Das wird schwerer, wenn wir feststellen, dass jeder alles öffentlich äußern kann. Was eine große Errungenschaft ist. Aber eine, für die wir noch nicht die gesellschaftliche Reife haben, mit ihr umzugehen.

Carsten Brosda

Auch der Bundestag muss darauf vertrauen, dass die Staatsanwaltschaften ordentlich arbeiten und das juristische System alles bekämpfen wird, was tatsächlich die Verfassung bedroht. Und alles andere, was die Staatsräson angeht, muss sich über andere Foren abspielen und muss andere Formen von Bekundungsmöglichkeiten finden. Es kann nicht sein, dass wir die Kultur, dass wir die Künstlerinnen und Künstler darauf verpflichten, so etwas wie Staatskunst, also staatsgenehme Kunst zu produzieren. Dann sind wir, um es polemisch zu sagen, sehr schnell wieder in Verhältnissen, wie wir sie beispielsweise aus der DDR kennen. Es kann nicht sein, dass Künstler und Künstlerinnen auf diese Art von Repräsentationspflicht festgelegt werden.

Hanno Rauterberg
Carsten Brosda (© Hernandez für Behörde für Kultur und Medien) und Hanno Rautenberg (© privat)
Carsten Brosda und Hanno RautenbergBild: Hernandez | privat

Gäste

Carsten Brosda, geboren 1974 in Gelsenkirchen, ist seit 2017 Senator der Behörde für Kultur und Medien in Hamburg. Seit 2020 ist er Präsident des Deutschen Bühnenvereins. Er hat über "Diskursiven Journalismus" an der Universität Dortmund promoviert und war u.a. Abteilungsleiter Kommunikation beim SPD-Parteivorstand. Er ist Co-Vorsitzender der Medien- und Netzpolitischen Kommission des SPD-Parteivorstandes sowie Vorsitzender des Kulturforums der Sozialdemokratie. 2023 erschien sein Buch: "Mehr Zuversicht wagen. Wie wir von einer sozialen und demokratischen Zukunft erzählen können" (Hoffmann und Campe).

Hanno Rauterberg, 1967 in Celle geboren, ist stellvertretender Leiter des Feuilletons der ZEIT und schreibt vor allem über Kunst, Architektur und Städtebau. Er ist promovierter Kunsthistoriker und Absolvent der Henri-Nannen-Journalisten-Schule. Seit 2007 ist er Mitglied der Freien Akademie der Künste in Hamburg. Zuletzt erschienen von ihm: "Die Kunst und das gute Leben. Über die Ethik der Ästhetik" (2015), "Wie frei ist die Kunst? Der neue Kulturkampf und die Krise des Liberalismus" (2018) und "Die Kunst der Zukunft. Über den Traum von der kreativen Maschine" (2021, alle Suhrkamp).

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