Pfefferberg Theater: Berlin Non Stop © th-entertainment
th-entertainment
Bild: th-entertainment Download (mp3, 11 MB)

Berlin-Musical von Thomas Hermanns und Thomas Zaufke - Pfefferberg Theater: "Berlin Non Stop"

Bewertung:

Sie wollten mal etwas machen, worauf sie einfach Lust haben: Thomas Hermanns, Comedian, Drehbuchautor, Moderator und Thomas Zaufke, Musical-Komponist. Sie hatten Lust, ein Berlin-Musical zu schreiben und siedelten die Geschichte in einer Zeit an, in der Berlin in der Nacht noch so richtig Spaß gemacht hat – im Jahr 2010.

Das war die Zeit, in der Berlin noch "arm, aber sexy" war und Klaus Wowereit, der den Slogan erfunden hat, Bürgermeister von Berlin. Das Versprechen der Freizügigkeit lockte Berlin-Touristen aus aller Welt in die wiedervereinigte deutsche Hauptstadt.

Pfefferberg Theater: Berlin Non Stop © th-entertainment
Bild: th-entertainment

Als Berlin arm, aber sexy war

Es waren auch die Jahre, in denen Autor Thomas Hermanns selbst noch gern um die Häuser zog – die Orte der legendären Dancefloors und glitzernden Dragshows tauchen nun in seinem Musical "Berlin Non Stop" auf: die beiden Kreuzberger Lokale "Rauschgold" und "Möbel Olfe", sowie der Techno-Tempel "Berghain". Und weil Berlin nun mal Berlin ist, kann man auch auf Dönerbude und Krankenhaus in der Nacht nicht verzichten.

Die Geschichte ist schnell erzählt: Drei junge Touristen lassen sich 24 Stunden lang auf der Suche nach Spaß, Sex und Kultur durch den Berliner Sommer treiben. Sie kommen aus Birmingham, Barcelona, Bad Bevensen. Das viermalige B ist durchaus Absicht, der Ton ist kalauernd. Die Musik startet zeitgemäß, zuerst klirrend mit elektronischer House-Musik, dann wird das ganze Spektrum bedient: Pop, Rock, Balladen. Berlin-Führerin Helga, gesungen und gespielt von der famosen Stefanie Dietrich, schimpft bei der Stadtrundfahrt durch das chaotische, arme, feiernde Berlin im Bus ordentlich rum:

"Ey, Du Flitzpiepe! Wenn du weiter so schleichst, dann schieb ich Dir von hinten an, bis Du in Deinem schönen Brandenburger See liegst! ­"

"Was ist denn mit historischen Fakten, das war doch gerade der Reichstag, oder?"

"Fakten? Ihr wollt Fakten? Hier kommen Fakten!"

Groove, Blues und viel Party

"Arm, aber sexy" – das könnte auch Motto für die ganze Produktion sein, die ohne Subventionen auskommen muss und ohne großen Auftraggeber im Rücken. Die nur mit guter Musik und einem guten Cast Rausch und Absturz erzeugt, oder wie es im Musical heißt: Groove und Blues. Lediglich drei Musiker an Schlagzeug, Gitarre und Keyboard spielen im Hintergrund der Bühne. Der Rest der Musik kommt aus dem Computer, wird aber live so gut arrangiert von Caspar Hachfeld, dass man zwei Stunden lang in einer mächtigen Klangwolke schwebt.

Das Ganze hat Tempo, die Ereignisse folgen so schnell aufeinander, dass man sich zwischendurch kurz die Augen reiben muss um festzuhalten, was man eigentlich sieht: nämlich sieben Sänger und Sängerinnen in wechselnden Kostümen und Perücken. Einer der Touristen trägt ein Camouflage-T-Shirt mit Pailletten-Glitzer, ein andere ist mit Angeber-Bermuda-Hosen in Gucci-Muster bekleidet. Auf der kleinen Guckkastenbühne befindet sich ein drehbarer kastenförmiger Aufbau, der mal Tresen mal Treppe darstellt, illuminiert von einer kleinen Lightshow. Diese Bühne ist für Musical-Maßstäbe ein Nichts, aber die Darsteller machen so viel Party, dass man das gar nicht merkt.

Nach der Pause wird es ruhiger, der Ton nachdenklicher. Die Berliner Gastgeber überdenken nochmal ihr Motto "Wir schlafen nicht mehr mit Touristen" und die Frage steht im Raum, ob die Liebe nicht doch noch eine Chance hat in dieser armseligen Partystadt Berlin. Am nächsten Morgen ist Zeit für melancholische Balladen.

"Alle Songs der Nacht verstummen, der Titel stoppt, die Barfrau schließt die Tür, du flehst noch bitte nicht, dann trifft dich volles Licht, am nächsten Morgen."

Pfefferberg Theater: Berlin Non Stop © th-entertainment
Bild: th-entertainment

Ein Knaller mit Herz und Schnauze

Das Vorbild für "Berlin Non Stop", so Thomas Hermann, ist das Musical "On the Town" von Leonard Bernstein von 1944. Eine andere positive Referenz liegt viel näher: Tatsächlich wird man bei manchen Songs und Situationen an das Musical "Linie 1" des Berliner Grips Theaters erinnert. Komponist Zaufke hat dort gearbeitet, aber auch für die Neuköllner Oper, das Landestheater Linz und in den USA. Er ist einer der bekanntesten und besten deutschen Musical-Komponisten. Jetzt hat er zusammen mit Thomas Hermanns einen Knaller mit Herz und Schnauze hingelegt. "Berlin Non Stop" ist eine Low Budget-Produktion mit Pfiff, ein turbulenter, selbstironischer Trip durch das schwul-bunte Berlin: "Arm, aber sexy".

Regine Bruckmann, radio3