Album der Woche | 27.01. - 02.02.2025 - Olivier Latry: "Bach to Notre-Dame"
Sie ist restauriert und wieder DER touristische Magnet in Paris, die Kathedrale Notre-Dame. Millionen haben bei der Wiedereröffnung weltweit am Bildschirm zugesehen. Und sie haben dabei auch die Orgel gehört, die die Katastrophe zum Glück nahezu unversehrt überstanden hat. Die letzten Aufnahmen, die Titularorganist Olivier Latry vor dem Brand gemacht hat, liegen nun in verbesserter technischer Qualität vor. "Bach to Notre-Dame" heißt unser Album der Woche.
"Wir waren sehr glücklich, dass die Orgel noch da ist", erinnert sich Olivier Latry an den Morgen nach der Brandnacht, als ihn und seine vier Titularoganistenkollegen die gute Nachricht überbracht wurde.
Allerdings konnten sie über vier Jahre nicht mehr an der großen Orgel spielen. Wegen der Wiederaufbauarbeiten wurde das Instrument ausgebaut und gereinigt.
Erste Klang-Erfahrungen nach dem Wiedereinbau
Im Juni letzten Jahres kam die Orgel zurück an ihren angestammten Platz auf der Empore. Olivier Latry durfte als Erster wieder ran:
"Das war für mich sehr komisch. Ich habe die Kathedrale wegen der Akustik nicht wiedererkannt! Das waren nur zwei Sekunden Nachhall – und das ist sehr komisch für Notre-Dame - normalerweise sind es sieben Sekunden. Und dann im November war die Orgel komplett neu intoniert – und die Akustik ein bisschen besser.“
Das lag daran, dass das große Gerüst in der Mitte des Hauptschiffs inzwischen entfernt worden war. Bis zur Wiederweihe am 8. Dezember hatte Olivier Latry dann genügend Zeit, sich auf die neuen akustischen Verhältnisse einzustellen.
"Orgel, erwache!" - Der große Tag der Wiedereinweihung
Dann kam der große Tag, an dem der Pariser Erzbischof Laurent Ulrich die Orgel symbolisch wieder zum Leben erweckte, indem er laut und deutlich rief: "Reveille-toi, orgue, instrument sacré!" ("Erwache, Orgel, sakrales Instrument!") Olivier Latry spielte - und die Welt hörte seine ersten Töne!
Seine improvisation beschreibt er so: "Sehr tief, wie das Aufwachen am Morgen - und dann wurde es größer und größer mit einem crescendo … Und dann konnte die Orgel wirklich etwas 'Laudate Dominum' machen!“
Immer in Entwicklung begriffen
Das Instrument in der Kathedrale Notre-Dame wurde vom bedeutendsten französischen Orgelbauer des 19. Jahrhunderts Aristide Cavaillé-Coll erbaut, danach aber immer wieder erweitert, erzählt Titulaire Olivier Latry: "Die Struktur von der Orgel ist noch von Cavaillé-Coll. Aber danach waren es noch viele, z.B. Mutin und Merklin, so ist die Orgel ist immer in Evolution begriffen.“
Von "BACH to the Future" zu "BACH to Notre-Dame"
Wenige Wochen vor der Brandnacht 2019 hat Olivier Latry an der Orgel von Notre-Dame sein erstes Album ausschließlich mit Werken von Johann Sebastian Bach vorgelegt - der Titel: "Bach to the Future".
"Ich habe gedacht, es wäre auch schön, etwas anders zu machen. Ich würde sagen: Ein 'französischer Bach' - mehr romantisch … oder sinfonisch!"
Das Album "Bach to the Future" wurde nach dem Brand von Notre-Dame zum absoluten Bestseller. Durch den Verkauf konnten auch Spendengelder eingeworben werden. So entstand die Idee, es nun noch einmal herauszubringen - unter dem neuen Titel" Bach to Notre-Dame" - und tontechnisch verbessert.
Gut Ding will Weile haben
Es mag verwundern, dass Olivier Latry nicht gleich ein neues Album in Notre-Dame aufgenommen hat. Doch das sei momentan schlicht nicht realisierbar, betont er:
"Die Kathedrale ist wieder geöffnet und es gibt natürlich viele Touristen, die die Kathedrale sehen wollen. Jetzt ist es sehr schwer, etwas zu planen.“
Die klanglich überarbeiteten letzten Aufnahmen vor dem Brand sind in jedem Fall interessant, denn durch sie können wir jetzt schon musikalisch wieder Notre-Dame erleben - ehe wir auch zum großen Touristenschwarm gehören.
"Mein Ziel ist es wirklich, eine spirituelle Sache zu den Leuten zu bringen", sagt Olivier Latry.
Claus Fischer, radio3
