Comic des Monats – März 2025 - Wanda Dufner: "Bauchlandung"
Eine Teenager-Schwangerschaft wird oft als Katastrophe wahrgenommen. Weil die Schwangere selbst in einer verletzlichen Phase ist, in der sie ihren eigenen Weg ins Leben finden muss. Und dann soll sie Verantwortung für einen anderen kleinen Menschen übernehmen. Die Comiczeichnerin Wanda Dufner hat selbst eine Teenagerschwangerschaft erlebt. Inzwischen ist sie Anfang 30 und erzählt davon in ihrem Debut "Bauchlandung" – vielschichtig und unterhaltsam.
Wie konnte das passieren, dass Noemi, die 17-jährige Protagonistin schwanger wird? Das ist eine Frage, die sich durch den ganzen Comic zieht und in vielen Facetten diskutiert wird. Denn Noemi ist ein schüchternes Mädchen, dass keinen Körperkontakt mag. Wenn sich im Fernsehen Paare küssen, dann ist ihr das so unangenehm, dass ihre Familie sie für prüde hält. Und dann wächst Sie auch noch religiös auf und hat die moralischen Grundsätze verinnerlicht: dass Jungfräulichkeit gut ist und Sex vor der Ehe schlecht.
Und dann keimt aber doch so ein Interesse an Jungs auf und daran, ihnen nahe zu sein. Das wird befeuert von den Mädchen aus ihrer Klasse, die übers Küssen reden und erste sexuelle Erfahrungen machen und sich lautstark wundern, dass Noemi keinen Jungen hat, mit dem sie geht. Sie wird sie von einer Klassenkameradin mit Adi verkuppelt, den Noemi ganz süß findet. Das ist keine tolle Beziehung, weil Adi sie immer wieder hinhält und vor allem Sex von ihr will – und zwar ohne Kondom.
Und Noemi hat noch nicht gelernt, wie eine Beziehung auf Augenhöhe funktioniert. Sie will alles richtig machen und verliert sich dadurch immer wieder selbst. Das ist ein starkes Spannungsverhältnis, dass Wanda Dufner schon auf den ersten Seiten aufbaut.
Wanda Dufner zeichnet in "Bauchlandung" keine Emanzipationsgeschichte, sondern einen Horrortrip. Noemi hat Schuldgefühle, weil sie schwanger ist, es ist ihr peinlich. Und dann verfolgen sie auch noch die Erzählungen ihrer Großmutter, dass die abgetriebenen Föten für Umweltkatastrophen und alles andere Übel der Welt verantwortlich sind – denn Abtreibung ist in der katholischen Kirche streng verboten.
Als sich Noemi dann bei ihren Eltern und in der Schule outet, da bricht eine Welle von Vorwürfen und Anschuldigungen und Klischees über sie zusammen, die kaum auszuhalten ist – auch weil sie mit Noemi so gar nichts zu tun haben. Ihre Mutter wirft ihr abwechselnd vor, Drogen genommen zu haben oder sexsüchtig zu sein. Dann wieder glaubt sie, ihre Tochter sei Opfer einer Vergewaltigung geworden.

Wanda Dufner verdichtet die Erfahrungen ihrer eigenen Teenagerschwangerschaft und spitzt die so sehr zu, dass man beim Lesen fassungslos ist – und zugleich entwickelt die Beschreibung dieser menschlichen Abgründe und Hilflosigkeit eine ungeheure Komik. Dufner zeichnet das mit hingeworfenem Strich, der klar macht, dass nichts fest und verlässlich ist und herrlich bunten Farben, die gute Laune verbreiten.
Eine gute Laune, die immer wieder von den Kommentaren in den Sprechblasen und der Mimik und Gestik von Noemi gebrochen wird. Wenn sie zum Beispiel bei einer der vielen Beraterinnen ist, die bei Teenager-Schwangerschaften helfen sollen. Dort redet vor allem die Mutter, wie sehr sie sich für ihre Tochter aufgeopfert habe und die Beraterin sagt: "Es trifft sie keine Schuld" – da sinkt Noemi so erbärmlich in sich zusammen, dass man es kaum aushalten kann.
Und das kann Wanda Dufner sehr präzise: die feinen Unterschiede der Gefühlslagen nach immer neuen Katastrophen aufzeichnen: sei es, dass ihr Freund Adi mal wieder Schluss gemacht hat oder im Klassenchat über Noemi gelästert wird oder im Geburtsvorbereitungskurs lauter glückliche Paare sitzen, die so gar nichts mit Noemi und ihrem Unglück anfangen können.

Wenn es nicht so krachend komisch und unterhaltsam wäre, wäre "Bauchlandung" ein ganz normales Aufklärungsbuch über Teenager-Schwangerschaften. Weil der Comic das Thema sehr differenziert und aus unterschiedlichen Perspektiven darstellt. Es geht um das Spannungsverhältnis von Mutterschaft und Kindsein, von Körperlichkeit und Sexualität, von toxischen Beziehungen und Selbstbehauptung. Und der Comic zeigt, dass Teenager, die schwanger werden, ernst genommen werden sollten und Unterstützung brauchen.
Das ist großartig. Und es ist großartig, dass "Bauchlandung" so überspitzt und grotesk und voller Humor daherkommt. Denn so ist "Bauchlandung" nicht nur ein Comic für Betroffene, sondern für Menschen jeden Alters, die am echten Leben interessiert sind.
Andrea Heinze, radio3