Drama - "Schock"
Die grellrote Beleuchtung eines Puffs lässt die Nacht ringsum noch schwärzer erscheinen. In ihrem virtuosen Thriller "Schock" nehmen die beiden Regisseure Denis Moschitto und Daniel Rakete Siegel den Film Noir fast wörtlich. Die Geschichte spielt in der Dunkelheit, in den abseitigen Ecken der Großstadt.
Wenn der Held Bruno im Auto sitzt, perlen Regentropfen von der Windschutzscheibe und nehmen ihm die Sicht. Bruno ist Arzt und pendelt zwischen der weißen Welt der Medizin und der Illegalität. "Die Leute rufen mich an und ich komme vorbei. Was für Leute. Leute, die nicht ins Krankenhaus können", erklärt er einmal seinem Schwager Guiliano. Schock ist ein Zustand, in dem der Körper erstarrt und der Geist die Fähigkeit zur Entscheidung verliert.
Das Unheil beginnt harmlos mit dem Gastauftritt von Anke Engelke als Anwältin eines Mafiabosses.
In der Abwärtsspirale
Der untergetauchte Mafioso ist an Leukämie erkrankt. Jetzt benötigt er einen Arzt, der ihm seine Infusionen verabreichen kann. Denis Moschitto spielt Bruno mit den traurigen Augen eines Mannes, der weiß, dass seine Möglichkeiten begrenzt sind. Bruno hat seine Approbation verloren, wahrscheinlich wegen Kokainkonsum. Jetzt behandelt er die Unbehausten, Ungeschützten, Untergetauchten. Gauner, Geflüchtete und Prostituierte. Die Medikamente bezieht er über einen Kontakt aus dem Fitnessstudio. Hier hofft er auch, die Antikörper für den Gangsterboss zu bekommen. Damit dreht sich die Spirale weiter abwärts.
Zwischen den Fronten eines Bandenkrieges
Es stellt sich heraus, dass sein Patient der Todfeind seines Schwagers Giuliano ist. Der Arzt gerät zwischen die Fronten eines Bandenkrieges. Du er verheddert sich in den kriminellen Verstrickungen seiner Familie. Mit seiner Schwester Laura – Giulianos Frau - ist er durch eine fürsorgliche Komplizenschaft verbunden. Die Burgtheaterschauspielerin Aenne Schwarz spielt Laura als Gangsterbraut und als Familienmenschen.
Ein in weiten Strecken zarter, mitfühlender Film
Es sind die Einstellungen des Kameramannes Paul Pieck, die der Grausamkeit der Unterwelt eine eigene Schönheit entgegensetzen. Pieck reißt die Bilder an, macht Brunos Schmerz spürbar, in dem er nur Bruchstücke seiner Welt zeigt. Verbunden werden diese Splitter durch die vibrierenden Klänge des Berliner Komponisten Hainbach, der über ein riesiges Geräuscharchiv verfügt. Seine Musik heilt die Wunden, die durch die Action des Thrillers geschlagen werden. Da huldigen alle Mitwirkenden den Regeln der Filmtradition und erfinden sie dennoch neu.
Getragen von der melancholischen Gestalt des Bruno ist "Schock" in weiten Strecken ein zarter, mitfühlender Film. Umso überraschender kommt der Schock für die Zuschauer - lautlos und aus der Dunkelheit. Aber er wirkt lange nach.
Simone Reber, rbbKultur