La Cocina © Juan Pablo Ramírez / Filmadora
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Drama | Berlinale Wettbewerb - "La Cocina"

Bewertung:

In seinem neuen Film taucht Alonso Ruizpalacios in den dampfenden Küchenbauch eines New Yorker Restaurants ein. Wenn es in die Küche geht, zelebriert das Kino in der Regel ein mit metaphorischem Mehrwert besonders sinnliches Vergnügen: Liebe, die durch den Magen geht beispielsweise. Doch um derartigen Genuss geht es Alonso Ruizpalacios überhaupt nicht - ganz im Gegenteil: der Regisseur arbeitet gezielt dagegen - u.a. dadurch, dass er seinen Film in Schwarzweiß gedreht hat.

Das Kochen ist hier kein Gourmetgenuss, sondern harte, schweißtreibende Knochenarbeit unter Hochdruck in einem Räderwerk von Arbeitsbienen in der industriellen Küche eines New Yorker Schnellrestaurants am Times Square, in dem pro Schicht 3.000 Mahlzeiten lieblos zusammengeklatscht werden.

Schweißtreibende Knochenarbeit und tänzerischer Drive

Zwischen dem vorwiegend männlich-toxischem Kochpersonal in der Küche und den Kellnerinnen, die die Speisen nach draußen ins Restaurant bringen, entsteht eine nervenzehrend dampfende Hektik. Dabei entwickelt der Film immer wieder enormen, fast tänzerischen Drive und einen mitreißenden Sog, wenn sich die Kamera durch das Gewusel schlängelt, zumindest bis irgendeine Störung das fragile System zum Kollabieren bringt.

Illegale Immigranten aus Südamerika

Zugespitzt wird die Lage durch die Tatsache, dass die Angestellten illegale Immigranten aus lateinamerikanischen Ländern sind, die dem Arbeitgeber auf Gedeih und Verderb ausgeliefert sind. Bei der Stange gehalten werden sie mit der vagen Aussicht auf Legalisierung.

Ein bisschen Liebe gibt es schon, auch wenn sie nicht durch den Magen geht, zwischen dem Koch Pedro und der Kellnerin Julia (Rooney Mara) und ein Kind, das er behalten und sie abtreiben will. Dazu kommt noch die Suche nach gut 800 Dollar, die aus der Kasse verschwunden sind - in etwa die Summe, die für den Eingriff nötig ist. Es würde kaum Filme geben, die von Immigranten erzählen, wenn sie angekommen sind, sagte Alonso Ruizpalacios bei der Pressekonferenz, und kümmert sich genau darum.

Dokumentarische Dringlichkeit und überdrehte Küchenfarce

Der Film basiert auf dem gleichnamigen Theaterstück, das Arnold Wexler schon in den 50er Jahren verfasst hat, aber auch auf den Erfahrungen, die der mexikanische Regisseur in seiner Studentenzeit in einem Londoner Restaurant gemacht hat: Die Figuren gehen auf Menschen zurück, denen er damals begegnet ist.

Als Zuschauer rutscht man mit einer neuen Angestellten in diese Welt. Sie hofft mit einer vagen Empfehlung auf einen Job, spricht kaum Englisch und wird durch den Hintereingang und lange Gänge ins Gebäude geschleust. Leider kippt die dokumentarische Dringlichkeit, die authentisch eingefangene Stimmung unter den illegalen Küchenarbeitern immer wieder in eine völlig überdrehte Küchenfarce mit auch ziemlich hohem Ekelfaktor. Einerseits gibt es die Kraft und Energie von Hoffnungen und Träumen, andererseits die geballten Rückschläge und Enttäuschungen in einem korrupten System.

Anke Sterneborg, rbbKultur

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