Drama | Berlinale Wettbewerb - "In Liebe, Eure Hilde"
Andreas Dresen ist Stammgast im Berlinale-Wettbewerb. Zuletzt war er vor zwei Jahren mit "Rabiye Kurnaz gegen George Bush" dabei. Sein neuester Film heißt "Alles Liebe, Eure Hilde" und erzählt die Geschichte von Hilde Coppi, einer der Widerstandskämpferinnen der Roten Kapelle. Nachdem Dresen immer gesagt hat, dass er keinen historischen Film über die Zeit des Nationalsozialismus drehen will, konnte seine Stammdrehbuchautorin Laila Stieler ihn für den Stoff begeistern.
Entscheidend war für Drehbuchautorin und Regisseur, dass es hier nicht um eine überlebensgroße Heldin ging, sondern um eine einfache, scheue, zurückhaltende, fast ängstliche junge Frau, die ganz langsam in den Widerstand rutscht - einerseits aus Liebe zu ihrem Mann Hans, andererseits, weil sie immer stärker spürt, dass sie ihrem moralischen Kompass folgen muss, dass sie ein anständiger Mensch bleiben möchte.
Ganz ähnlich wie im Berlinale-Eröffnungsfilm "Small Things Like These" geht es auch hier darum, wie in einem einfachen Menschen durch aufmerksame Beobachtung ein Entschluss reift, gegen den Druck aus dem Umfeld Mut und Zivilcourage zu entwickeln.
Die Gegenwärtigkeit der Historie
Konsequent vermeidet Andreas Dresen all die Bilder und Töne, die sonst in Filmen über den Nationalsozialismus unvermeidlich scheinen. Tatsächlich gibt keine einzige Hakenkreuzfahne im ganzen Film und auch keine brutalen Nazis, die die Hacken zusammenschlagen. Polizisten, Richter und Wärter sind keine Monstren, sondern Teil der Masse, die dieses System millionenfach getragen hat. Ausstattung und Kostüme sind zwar glaubhaft historisch, haben aber zugleich auch eine gewisse Zeitlosigkeit. So werden die Ereignisse aus der historischen Distanz gelöst und ganz nah heran in die Gegenwart geholt, wo sie ja leider auch nur allzu präsent sind.
Und die Widerstandskämpfer sind keine überhöhten Helden, sondern vor allem junge Menschen mit Plänen, Träumen und Hoffnungen, mit einer feurigen Begeisterung für den Kommunismus. Sie treffen sich am See, sonnen sich, gehen baden, verlieben sich und machen - fast nebenbei - ein paar damals sehr gefährliche Dinge: Sie drucken Flugblätter und schicken Funksprüche an die Russen.
Große Kraft in leisen Tönen
Hier die jungen Menschen und ihr fast sorgloses Treiben, dort die Polizisten, die Hilde zu Hause abholen und befragen. Während die lichte Vergangenheit in Rückblenden rekapituliert wird, bewegt sich die Gegenwart unerbittlich auf das tragische Ende, die Hinrichtung zu. Immer beklemmender breitet sich die Stimmung aus - gerade auch mit dem Bewusstsein davon, dass Regimekritiker auch jetzt in vielen Ländern der Welt als Terroristen eingestuft, verfolgt und hingerichtet werden.
Nach dem recht fad und konventionell erzählten Film "Rabiye Kurnaz gegen George Bush" zeigt Andreas Dresen hier eindrucksvoll, welch große Kraft und Intensität aus leisen Tönen entstehen kann, so wie auch Liv Lisa Fries in ihrem Spiel anfangs fast unscheinbar und grau wirkt, aber ohne großes Aufheben immer mehr Profil und Format gewinnt: "Was mich interessiert und was ich wichtig finde, ist, dass wir mehr auch leise Töne zulassen", sagte die Schauspielerin auf der Pressekonferenz: "Und ich sag das auch mir selber, dass wir mehr Innerlichkeit zulassen, dass wir nicht immer die ganze Zeit total stark mit irgendwelchen Meinungen nach außen gehen müssen, sondern auch mal über Dinge nachdenken können."
Anke Sterneborg, rbbKultur