Drama - "The Old Oak"
"Nichts wird sich verändern, solange wir das System nicht ändern." Dieser Satz des britischen Regisseurs Ken Loach könnte als Überschrift über seinen vielfach ausgezeichneten Filmen stehen. Seit den späten 1960er Jahren dreht der heute 87-jährige Brite Filme. Filme, die immer von einer großen Menschlichkeit geprägt sind. So wie auch "The Old Oak".
Als der Bus vorfährt, ahnt man: das wird nicht gut gehen. Misstrauisch beäugen die Bewohner einer kleinen britischen Gemeinde die Ankunft der Neuankömmlinge. Eine Gruppe Geflüchteter aus Syrien. Es ist das Jahr 2016. Alte und Junge, Kinder: sie sollen hier eine neue Heimat finden. Doch schon als sie den Bus verlassen, kommt es zu ersten Rüpeleien. Einer jungen Syrerin wird die Kamera aus der Hand geschlagen.
"The Old Oak": Treffpunkt der Übriggebliebenen
Zentrum und Titelgeber dieses Films ist der Pub "The Old Oak". Hier, in dem einzig öffentlichen Raum, den es noch gibt, hier bei TJ Ballantyne, treffen sich die Übriggebliebenen dieser einst so stolzen und blühenden Gemeinde. Bis in die 80er Jahre lebten die Familien vom Bergbau, den aber gibt es schon lange nicht mehr. Heute sind die Helden von damals die Abgehängten, die keine Perspektive haben und dem Ausverkauf ihres Dorfes an ausländische Inverstoren, die ihr Geld irgendwie loswerden wollen, hilflos zusehen müssen.
Im "Old Oak" lassen sie ihren Frust raus. Auch darüber, dass die Syrer jetzt alles bekommen, während sie selbst von der Regierung vergessen wurden. Und die wenigen, die den Geflüchteten helfen, ziehen den Groll ihrer Nachbarn auf sich. Wie TJ Ballantyne. Er beschließt, die Kamera der Syrerin Yara reparieren lassen. Darüber kommen sie sich näher: die junge Frau, die alles verloren hat, und der Pub-Besitzer, der selbst nicht weiß, wie er die nächste Miete zahlen soll.
Geschichte einer langsamen Annäherung
"The Old Oak" erzählt von einer langsamen Annäherung. Nicht nur die zwischen der temperamentvollen Yara und dem vereinsamten, gutmütigen TJ, die - so unterschiedlich sie auch sind - doch ähnliches erlebt haben: Beider Leben sind von politischen Entscheidungen bestimmt, beide hatten keine Wahl.
Es geht aber auch um das langsame Sich-Öffnen für das jeweils Fremde, bei dem Essen und Kochen eine ganz zentrale Rolle spielen werden. In dieser neuen Gemeinschaft findet sich dann auch der Mut, Dinge zu benennen und nicht weiter zu schweigen.
Ken Loach - Regisseur der "kleinen Leute"
Loach ist und war immer schon Regisseur und Anwalt der sogenannten "kleinen Leute" – die er groß macht in seinen wunderbaren Filmen. Ihre Schicksale, die gerne übersehen werden in unserer aufgeregten Welt, liegen dem heute 87-Jährigen am Herzen. Wie zuletzt "Ich, Daniel Blake" - 2016 in Cannes mit der Goldenen Palme ausgezeichnet - die Geschichte eines älteren Mannes, der an der Bürokratie scheitert. Es sind einfache Geschichten, die berühren und die man nicht mehr vergisst.
Er sei zu alt, um noch einmal einen solchen Film zu drehen, sagte Loach kürzlich in einem Interview. Hoffen wir einfach, dass seine Kraft noch lange reicht.
Christine Deggau, rbbKultur