Tragikomödie - "Last Dance"
Nach zwei Dramen über das Erwachsenwerden - "Puppylove" von 2013 und "Le Milieu de l’horizon" von 2019 - behandelt die Frankoschweizerin Delphine Lehericey in ihrem neuesten Film den letzten Lebensabschnitt. In "Last Dance" geht es um Tod, Trauer und Abschied, um das Ende einer langen Liebesgeschichte und um einen Neuanfang im Tanz. Das ist melancholisch, aber nicht schwermütig - und immer wieder auch auf sanfte Weise komisch.
In ein paar Szenen wird der Pensionärs-Alltag von Germain und Lise skizziert. Er liest Prousts "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" und ärgert sich darüber, dass die erwachsenen Kinder ihn gelegentlich wie einen debilen Alten behandeln. Sie lässt sich von ihm vorlesen und geht zum Tanzen in einer experimentellen Tanzgruppe.
Eine große Tragödie, beiläufig erzählt
Eines Tages geht seine Frau in die Küche, bricht zusammen und stirbt auf der Treppe. Doch aus diesem Schicksalsschlag macht Delphine Lehericey kein Drama, es geschieht einfach, man spürt den Schmerz des zurückgebliebenen Ehemannes, ohne, dass viel Aufhebens und Geschrei gemacht wird.
Sorgende Kinder
Allerdings sind Germains Kinder, seine Schwiegertochter und seine Enkel höchst besorgt um den nun plötzlich alleinstehenden Vater und planen seinen Alltag generalstabsmäßig durch. Jeder übernimmt Aufgaben, die auf einem Monatsplan mit bunten Zettelchen aufgesteckt werden: kochen, waschen, putzen - eng getaktet.
Germain macht resigniert gute Miene zu bösem Spiel, weiß aber auch, dass er noch etwas vorhat, denn er muss ein Versprechen einhalten, das er und Lise sich gegeben haben: Wer übrigbleibt, führt zu Ende, was der andere begonnen hat. So steht er dann vor den Mitgliedern der Tanzcompagnie, in der seine Frau getanzt hat, und es ist offensichtlich, dass er erst mal gar keine Lust hat ...
Ein Versprechen wird zur Chance
Vergeblich hofft er, dass die Gruppe ihn ablehnt - doch freudig nimmt sie ihn auf, und es ist hinreißend, wie François Berléand sich zunächst halbherzig darauf einlässt, in einer Mischung aus kindlich-linkischer Unbeholfenheit und schwerelos-fließender Eleganz. Man spürt sofort, was die Regisseurin, die vorher zwei Filme mit Jugendlichen gedreht hat, meint, wenn sie sagt, dass der Schauspieler in gewisser Weise der älteste Teenager sei, mit dem sie je gearbeitet habe.
Am Anfang stellt er sich noch scheu zu den anderen Tänzern, imitiert deren Bewegungen und Gesten, zunächst widerwillig und sperrig, zunehmend weicher und offener, bis er bald überall, wo er geht und steht - bei jeder Gelegenheit, in der Küche, auf der Straße - Tanzbewegungen ausprobiert. Der Tanz wird zur besonderen Form der Trauerbewältigung, von der er in langen Briefen auch seiner Frau erzählt: "Wenn ich tanze, Lise, spüre ich deine Präsenz. Dein Lächeln fehlt mir, ich liebe dich, für immer, dein Germain."
Fließende Übergänge
Geleitet werden die Tanzproben von der spanisch-schweizerischen Choreografin und Tänzerin La Ribot, die sich mit den Tänzern ihrer eigenen Compagnie in fast dokumentarischer Weise auf das fiktive Experiment mit dem Rentner, einem Schauspieler, einlässt.
Überhaupt ist "La Danse" ein Film der fließenden Übergänge: zwischen Fiktion und Realität, zwischen Leben und Tanz, zwischen tiefer Traurigkeit und sanfter Komik, die auch entsteht, weil Germain seinen Kindern und Enkeln verheimlicht, wie er den größten Teil seiner Tage verbringt. Es ist ihm peinlich, vor allem aber befürchtet er, dass deren Reaktionen das zarte Band zerstören, das er im Tanz mit Lise geknüpft hat.
Da er jeden Tag mehrere Stunden für die Aufführung probt, wird es immer schwerer, das Geheimnis zu wahren, immer stärker gerät er in Erklärungsnot, wodurch es immer wieder zu sanft komischen Missverständnissen und Verwicklungen kommt. Wie leicht könnte das platt und billig werden, nichts davon in diesem fein modulierten, tief berührenden, melancholisch nachdenklichen Film voller Poesie und feinem Humor.
Anke Sterneborg, rbbKultur