Anhänger der islamfeindlichen Pegida-Bewegung demonstrieren am 15.02.2016 mit einem Schild "Ich will nur Deutscher unter Deutschen sein!" vor der Frauenkirche in Dresden; © picture alliance/dpa-Zentralbild/Arno Burgi
radio3
Bild: picture alliance/dpa-Zentralbild/Arno Burgi Download (mp3, 94 MB)

Die Debatte mit Natascha Freundel, Gilda Sahebi und Katharina Warda - Unser hausgemachter Rassismus

"Ausweisen löst die Probleme nicht." – Gilda Sahebi

"Der 'Rassismus-Vorwurf' wird in Deutschland als der 'schlimmste Vorwurf empfunden'", schreibt die Journalistin und Politikwissenschaftlerin Gilda Sahebi in ihrem neuen Buch "Wie wir uns Rassismus beibringen".

Dabei durchziehen rassistische Denkmuster unsere Debatten und prägen staatliche Strukturen. Lösen wir denn Probleme, auf die etwa die aktuelle polizeiliche Kriminalstatistik hinweist, mit Abschiebungen? Mitnichten, so Gilda Sahebi: wir verdecken und verdrängen sie.

Für die Soziologin Katharina Warda knüpft die Vorstellung eines ethnisch homogenen Deutschlands, das nun mit Zuwanderung konfrontiert sei, an die völkische NS-Ideologie an. Migration ist Teil der Menschheitsgeschichte, betont sie. Und: "Vielfalt ist da und ziemlich geil".

Die Probleme – sei es jugendliche Kriminalität, zum Beispiel in Freibädern, oder Antisemitismus und so weiter – die kann man beschreiben, oder man setzt einen ganzen Teppich an rassistischen Narrativen drauf. Dann sieht man aber das Problem nicht mehr. Dann schaut man sich nicht mehr an: Wo kommt es her? Was haben vielleicht soziale Faktoren damit zu tun? Wenn man das Problem lösen will, muss man sich diese Faktoren angucken. Bei uns, schon seit Jahrzehnten, auf alle möglichen Schwierigkeiten, die es in der Einwanderungsgesellschaft gibt, war immer die Antwort: Ausweisen, Zuzug begrenzen. So war es vor 50 Jahren, vor 40 Jahren, vor 30 Jahren, vor 20 Jahren. Und ist heute so. Überraschung: Das löst die Probleme nicht.

Gilda Sahebi

Tatsächlich gibt es ja innerhalb der extremen Rechten auch die Bewegung abzukommen von dem Begriff 'Rasse' und ihn mit dem Begriff der 'Kultur' zu ersetzen. Und die Weise, wie wir Kultur für uns inszenieren und uns auch aufwerten über unsere Kultur, hat sehr häufig eine völkische Komponente, die immer wieder hergestellt wird, wenn wir das nicht aktiv hinterfragen. Wer die Deutschen sind, und wer die Deutschen nicht sind, und wer Fremdes hier reinkommt in diese deutsche Kultur, das ist ja eigentlich Blödsinn. Diese reine deutsche Kultur, die gibt es ja gar nicht, außer in so einer Nazi-Fantasie.

Katharina Warda
Gilda Sahebi (© Hannes Leitlein) und Katharina Warda (© Alena Schmick); Montage: radio3
Bild: Hannes Leitlein | Alena Schmick

Gäste

Gilda Sahebi,

geboren 1984 im Iran und aufgewachsen in Deutschland, ist ausgebildete Ärztin und studierte Politikwissenschaftlerin. Sie arbeitet als freie Journalistin mit den Schwerpunkten Antisemitismus und Rassismus, Frauenrechte, Naher Osten und Wissenschaft. Sie ist Autorin für die "taz", den "Spiegel" und für die ARD.

Seit dem Tod von Jina Mahsa Amini und der darauffolgenden Protestbewegung berichtet Gilda Sahebi unermüdlich über die Geschehnisse im Iran, als Gesprächspartnerin in Talkshows und in ihren Social-Media-Kanälen. Der "Focus" ernannte sie 2022 zu einer der "100 Frauen des Jahres", das "Medium Magazin" zur Journalistin des Jahres in der Rubrik Politik.

2023 erschien Gilda Sahebis Buch "Unser Schwert ist Liebe. Die feministische Revolte im Iran". Ihr aktuelles Buch heißt: "Wie wir uns Rassismus beibringen. Eine Analyse deutscher Debatten" (beide S. Fischer).

Katharina Warda,

geboren 1985 in Wernigerode, ist Autorin und Soziologin. Sie war Fellow der Friedrich Schlegel Graduiertenschule für literaturwissenschaftliche Studien und promoviert in Berlin und Princeton zur Widerständigkeit biografischer Erzählungen in Tagebuch-Blogs. Daneben arbeitet Warda als freie Autorin mit den Schwerpunktthemen Ostdeutschland, marginalisierte Identitäten, Rassismus, Klassismus und Punk.

Seit 2021 ist Katharina Warda Beiratsmitglied von "Kein Schlussstrich!", einem bundesweiten Theaterprojekt zum NSU-Komplex. In ihrem Projekt "Dunkeldeutschland" erkundet sie die Nachwendezeit von den sozialen Rändern aus und beleuchtet blinde Flecken in der deutschen Geschichtsschreibung, basierend auf ihren eigenen Erfahrungen als Schwarze ostdeutsche Frau in der DDR und nach 1989/90.