Album der Woche | 19.02. - 25.02.2024 - Jeremias Fliedl: "Transformation"
Vor zwei Jahren wurde der junge österreichische Cellist Jeremias Fliedl beim renommierten Königin-Elisabeth-Wettbewerb in Brüssel als Preisträger ausgezeichnet. Jetzt ist sein Debütalbum mit Musik von Heitor Villa-Lobos, Igor Strawinsky, Paul Hindemith und Peter Tschaikowsky erschienen.
Daran, wie er als noch sehr junges Kind zu seinem Instrument gekommen ist, erinnert sich Jeremias Fliedl noch sehr genau: "
"Ich habe die 12 Cellisten der Berliner Philharmoniker im Fernsehen gesehen. Die haben die Titelmusik von 'Pink Panther' gespielt. Das hat mich so begeistert, dass ich meiner Mutter damals gesagt hab: 'Ich will das unbedingt auch machen!' Und am nächsten Tag habe ich dann schon meine erste Cellostunde bekommen.“
Der Cellist als Tontechniker
Heute ist Fliedl Mitte 20 – und auch auf seiner ersten eigenen CD meint man zunächst ein ganzes Cello-Ensemble zu hören. In Wahrheit spielt der Cellist die "Bachianas Brasileiras" von Heitor Villa-Lobos hier aber ganz allein. Für die Aufnahme hat sich Fliedl eine Woche lang in eine kleine Kapelle in Niederösterreich zurückgezogen, jede Stimme einzeln aufgenommen und anschließend die Tonspuren selbst abgemischt und zusammengebaut. Dass er sich hier als sein eigener Tontechniker ausprobierte, hat auch den Grund, dass er sich trotz einer vielversprechenden Karriere noch nicht ausschließlich auf das Cellospiel festlegen möchte.
Um sich technisch und musikalisch auszuprobieren, war die Verbindung von brasilianischer Musik und Bach bei Villa-Lobos für Fliedl perfekt: "Ich habe das Gefühl, dass Villa-Lobos es wirklich geschafft hat, Weltmusik zu machen.“
Die große Schwierigkeit bei der Aufnahme habe darin bestanden, der Musik von Villa-Lobos ihre Freiheit zu lassen und gleichzeitig ihre rhythmischen Strenge so zum Ausdruck zu bringen, dass sie trotzdem natürlich klingt.
Musikalische und persönliche Transformation
"Transformation" hat Jeremias Fliedl sein erstes Album genannt. Und damit meint er zunächst, dass die dafür eingespielten Werke durch den Rückgriff auf ältere Kompositionen Neues entstehen lassen. In seiner "Suite italienne" hat Igor Strawinsky auf diese Weise in den 1930er Jahren an italienische Barockmusik erinnert:
"Strawinsky hat sich hier an Motiven und Melodien aus der Commedia dell`arte bedient – und es ist eine Spielwiese. Wir haben fünf Sätze und von Satz zu Satz ist das ein Feuerwerk an Emotionen und auch an Experimentierfreude."
Für die "Suite italienne" hat sich Jeremias Fliedl die Unterstützung des Württembergischen Kammerorchesters Heilbronn unter der Leitung von Emmanuel Tjeknavorian an die Seite geholt: "Es ist ein Geschenk, mit Freunden zu musizieren, die die gleich musikalische Sprache sprechen“, meint Fliedl mit Blick auf den Dirigenten und das Orchester.
Der große Lehrer: Heinrich Schiff
Tschaikowskys "Rokoko-Variationen" verbindet Jeremias Fliedl vor allem mit seinem ehemaligen Lehrer Heinrich Schiff: "Was ich ganz besonders schön an seinem musikalischen Profil finde, ist sein lustvolles Spiel. Das braucht man bei Tschaikowsky ganz besonders!“
Sogar der Bogen, den Jeremias Fliedl für seine Aufnahme nutzt, stammt aus dem Besitzt seines 2016 verstorbenen Cellisten.
Und dennoch bringt das Album auch Fliedls eigenen Weg vom Schüler zum Virtuosen zum Ausdruck. Dazu gehört für einen jungen Künstler wie ihn auch immer wieder die Teilnahme an Wettbewerben. Eine bestimmte Strategie, wie er sich bei dieser Konkurrenz auf lange Sicht durchsetzen kann, hat er nicht. Umso deutlicher wird, dass es – wie bei jeder geglückten Transformation – auch hier einen Kern gibt, der bestehen bleibt, wie Fliedl meint:
"Ich glaube, man sollte als Künstler authentisch sein, versuchen, authentisch zu sein – und das zu machen, was man liebt.“
Moritz Reininghaus, rbbKultur