Future Macbeth © Jörg Brüggemann
Jörg Brüggemann
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Berliner Ensemble - "Future MacBet" von Pavlo Arie und Ensemble nach William Shakespeare

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William Shakespeares "Macbeth" handelt vom Aufstieg des Heerführers Macbeth, der durch Mord und Intrigen zum König von Schottland wird. Der Regisseur Stas Zhyrkov und Autor Pavlo Arie – die beide aus der Ukraine stammen – untersuchen in ihrem Stück "Future Macbeth" gemeinsam mit seinem Team und Studierenden der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch die Fragen nach Macht und Anerkennung, nach Schuld und Tyrannei: Wie funktioniert Macht? Woher kommt Gewalt? Welche Geschichten erzählen wir uns, um sie zu rechtfertigen? Am Samstag war Premiere am Berliner Ensemble.

Der Schauspielstudent Emil Kollmann kann es nicht fassen: Das Publikum ist tatsächlich ins Berliner Ensemble gekommen, um sich "Macbeth" anzuschauen. Er rollt die Augen und vergräbt das Gesicht an der Bühnenwand. Dann folgt die Publikumsbeschimpfung: "Leute, es gibt echte Probleme! Was sollen wir euch hier mit so einer alten Kamelle erzählen. Schon während ich hier stehe, habt ihr eine Kriegserklärung, einen Putschversuch und ein geleaktes FDP-Papier verpasst. Und wofür? Für eine 500 Jahre alte Story."

Seine Verwunderung überrascht – steht er selbst doch schon im Hexen-Kostüm auf der Bühne und ist von seinen Kolleg:innen denn auch schnell vom Gegenwartsbezug der ollen Shakespeare-Kamelle zu überzeugen: "Natürliche Auslese – die Gerissenen und Bösartigen stehen oben, die Edlen und Guten landen im Grab…". Na, dann kann’s ja losgehen.

Gedanken über Gewalt in schriller Komödie

Zumindest mit den Grundmotiven, denn mehr gibt's vom Stück über den Kriegshelden Macbeth, der sich von Hexen-Prophezeiungen und seiner ehrgeizigen Frau zum Massenmörder machen lässt, kaum zu sehen. Der Stoff dient eher als Anlass, um im neuen Stücktext "Future Macbeth" über die Verführung zur Macht nachzudenken, darüber, wie ein Tyrann gemacht wird, wie Gewalt entsteht. Und zwar, das ist die Überraschung, in einer schrillen Komödie.

Grund für diese Genrewahl ist wohl auch, dass der ukrainische Autor Pavlo Arie das Stück gemeinsam mit dem Ensemble entwickelt hat: Der Abend ist in Kooperation mit den Schauspielstudierenden der Berliner Ernst-Busch-Schule entstanden – die jungen Spieler:innen scheinen den Stoff ins Heute holen und möglichst unterhaltsam erzählen zu wollen. Dafür sind einige feministische Umdeutungen nötig. Macbeths treuer Kriegsfreund und Waffenbruder Banquo, den er später ermorden lässt, ist hier eine Waffenschwester (Magdalena Gräslund). Und Lady Macbeth (Antonia Siems) hat erst das Patriarchat und der grausame Krieg zum skrupellosen Machtmenschen geformt.

Future Macbeth am Berliner Ensemble (Quelle: Joerg Brueggemann/OSTKREUZ)
Bild: Joerg Brueggemann / OSTKREUZ

"Make Violence Great Again"

Dem Übernatürlichen schwört die Inszenierung gänzlich ab. Die drei Hexen, die Macbeth seinen Aufstieg prophezeien, treten zwar mit schwarzen Krallen und Zauberhüten auf, sitzen aber in einem modernen, weißen Fernsehstudio: Es sind drei Moderatorinnen einer reißerischen Sendung über Kriege und Schlachtfelder. Mit schrillem Gelächter und affektiertem Gehabe jubeln sie Macbeth nach oben. Gleichzeitig verlesen sie Social-Media-Kommentare, die ihn ebenfalls als Helden feiern. Macbeth wird mit Fake News und Propaganda zum Diktator gemacht.

Der Gedanke an Putin und Trump liegt natürlich nah. Verweise gibt es hier und da auf der Bühne durchaus: Die rote Schirmmütze des Königs trägt die Aufschrift "Make Violence Great Again". Und die Moderatorinnen berichten nach dem Auffinden des erschossenen (!) Königs von einem offensichtlich "natürlichen Tod" – wie in jeder Kreml-Propaganda. Konkretere Parallelen ziehen Pavlo Arie und Stas Zhyrkov aber nicht.

Das hätte man sich auch anders vorstellen können. Zhyrkov und Arie entwickelten schließlich vor zwei Jahren einen dokumentarischen Abend an der Berliner Schaubühne ("Sich waffnend gegen eine See von Plagen"), der nach der Verantwortung ukrainischer Künstler:innen im russischen Angriffskrieg fragte. Und legten dann mit "Postkarten aus dem Osten" nach, das die historischen Zusammenhänge zwischen Nazi-Deutschland und der Ukraine beleuchtete.

"Future Macbeth" am Berliner Ensemble will die Assoziationen nun aber anscheinend so breit wie möglich belassen. Nicht nur um Massenmörder und Despoten geht es hier, sondern um die Frage nach den Mechanismen, die Menschen ganz allgemein zu Mördern macht. Sei es nun im Ehebett oder auf dem Kriegsschlachtfeld.

Gesangliche Unterbrechung: "Would you kill, if I asked you to kill?"

Das klingt düster – wandelt sich auf der Bühne aber mit vielen Albernheiten, mit Slapstick und affektierten Heulkrämpfen zur schrillen Farce. Macbeth, gespielt von Fabian Mair Mitterer, ist hier ein blonder Weichling in weißen Rüschen, mit Herzchen auf die Brust genäht. Ein Jüngelchen, ein Schulbub, der sich von seiner Frau nach dem Pinkeln die Hose zuknöpfen lässt und dem die Knie schlottern, wenn er eine Pistole nur von weitem sieht. Kein Wunder, dass er sich zunächst für die falsche Macbeth-Besetzung hält – und den Abend kurzerhand unterbricht.

Bis, das ist dann tatsächlich lustig, das Team ihm den Schmachtfetzen "I can be your Hero, Baby" schmettert – im Text das "dance"“ durch ein "kill" ersetzend: "Would you kill, if I asked you to kill?". Noch ein paar Blumensträuße und Heldenanrufungen, und der eitle Jüngling lässt sich doch zum Mörder machen. Allerdings zu einem, der schon nach dem ersten Mord in der Paranoia feststeckt.

Wer es bis dato noch nicht kapiert hat, dem gibt der Abend Nachhilfe aus dem Tierreich: Schimpansen hassen Fremde, erklärt uns König Duncan, Gorillas verlieren bei einer Niederlage im Kampf auch ihre Familie – der Mensch ist da auch nur ein Tier unter vielen. Mit ohrenbetäubendem Affengeschrei wird das Banale festgestellt: Jeder Mensch kann zum Mörder werden.

Viel Drive, verkürzte Moral

Was Energie, Drive und Spielfreude anbelangt, macht den Studierenden niemand etwas vor. Mit großer Sicherheit und Ausdrucksstärke hämmern sie sich durch den Abend. Schade nur, dass Schauspielstudierenden nie jemand zu sagen scheint, dass man mit leisen und variierenden Tönen, mit austariertem Figurenspiel deutlich weiterkommt als mit dem zehnten Tobsuchtsanfall an der Rampe.

Mit echten Menschen haben die Karikaturen auf der Bühne wenig zu tun. Und gemeint, ertappt, getroffen fühlt man sich von ihnen schon gar nicht. Das verhindert letztlich genau das, was der Abend als sein Anliegen formuliert hat: Macbeth für uns hier und heute lesbar und lebendig werden zu lassen. Alle könnten zum Macbeth (respektive: Putin, Stalin, Hitler…) werden, sagt die Inszenierung – diese Moral ist dann doch viel zu kurz gegriffen.

Barbara Behrendt, radio3

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