Schaubühne: Changes © Arno Deciair
Arno Deciair
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Schaubühne am Lehniner Platz - "changes" von Maja Zade

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Die Welt zu einem besseren Ort machen und sich dabei nicht selbst verlieren, das ist für viele ein Kraftakt und bedarf viel Balance im Alltag. Mit den alltäglichen Kompromissen und dem schmalen Grat zwischen Erfolg und Scheitern beschäftigt sich das neue Theaterstück "changes" an der Schaubühne Berlin. Unter der Regie von Thomas Ostermeier spielen Anna Schudt und Jörg Hartmann die Geschichte von Maja Zade. 23 Figuren verkörpern die beiden: darunter Nina und Mark sowie 21 weitere.

Mark hat Angst. Schon beim Frühstück mit seiner Frau Nina zeichnet sich ein kleines Fleckchen in seinen Achseln ab. Angstschweiß. Denn Mark hat einen neuen Beruf. Wegen Burnout hat er seinen Job als Wirtschaftsanwalt hingeschmissen und als Lehrer angefangen. Ausgerechnet: im Burnout-Beruf Nummer Eins.

Mark will ein richtig guter Lehrer sein, einer, der sich um seine Schüler:innen kümmert. Vielleicht ja auch, weil seine Frau drei Fehlgeburten hatte und er zumindest gern Ersatzpapa wäre. Nur ist das nicht so einfach mit Schüler:innen, die einander als "fette Schlampe" mobben. Plus den dazugehörigen robusten Eltern.

Mark will die Welt verbessern, etwas Sinnvolles tun. Aber die Welt hat ganz andere Probleme, als sich von ihm retten zu lassen. Deshalb fängt Mark wieder zu trinken an. Heimlich. Ein Rückfall.

Tiefliegende Fragen

Nina ist Abgeordnete. Sie setzt sich für den Erhalt eines Frauenhauses ein und will gleichermaßen die Welt verbessern. Das ist allerdings schwierig, wenn man eine Leukämie-Forschungsklinik ablehnen muss, um das Frauenhaus zu retten. Von der Unternehmerin, die die Klinik bauen will, wird sie mit kompromittierenden Fotos erpresst: Mark mit der Schnapsflasche am Mund. Nina hatte keine Ahnung, wählt die Flucht nach vorn und outet Mark in einem Fernsehinterview.

Damit wäre die Handlung von Maja Zades neuem Milieu-Stück aus der urbanen Mittelschicht umrissen. Doch die Fragen, die es aufwirft, liegen ein paar Schichten tiefer. Wie gestaltet man eine gute Welt, ohne die eigenen Werte oder Beziehungen zu verraten? Verändert das Leben uns oder verändern wir unser Leben?

23 Rollen für 2 Schauspieler:innen - großes Theater!

Vom Frühstück bis zum Abendessen begleiten wir Mark und Nina durch diesen einen normalen, furchtbaren Tag. Frauenhaus, Büro, Lehrerzimmer, Friseur, Anonyme Alkoholiker, Zoobesuch mit dem Vater, Fernsehstudio. Auf der funktionalen Bühne stehen dafür Schreibtisch, Sofa, Waschbecken, Kühlschrank, Garderobe. An letzterer bedienen sich Anna Schudt und Jörg Hartmann, bevor sie als jeweils neue Figur durch den aufgestellten Türrahmen treten.

Sage und schreibe 23 Rollen hat Maja Zade für exakt zwei Schauspieler:innen vorgesehen – und die beiden Dortmunder Tatort-Stars machen daraus nicht großes Kino, sondern großes Theater. Nur auf der Bühne ist es möglich, mit einer kleinen Veränderung des Gangs, der Stimme in Mark innerhalb einer Sekunde den Frauenhausleiter zu sehen, Ninas rüstigen Vater oder gar einen Elefanten. Und in Nina den amerikanischen Schulleiter, den Schüler mit Bauchschmerzen oder eine Alkoholikerin.

Jörg Hartmann und Anna Schudt während der Fotoprobe für das Stück changes in der Schaubühne am Lehniner Platz in Berlin am 27.11.2024. (Quelle: IMAGO/Martin Müller)
Bild: IMAGO/Martin Müller

Ruhe, Traurigkeit und leise Komik - das gefällt nicht allen

Bei allem Verwandlungstempo wechseln Schudt und Hartmann ganz ruhig ihre Rollen - und erliegen gerade nicht der Versuchung, Figuren zu überzeichnen. Faszinierende Schauspielkunst, die immer wieder zu komischen Pointen führt - etwa, wenn Jörg Hartmann als Journalist eine perfekte Kopie von Talkshowmaster Markus Lanz abgibt. Die Friseurin und der Proll-Papa einer Schülerin sind aber zum Glück weniger lachhaft als die selbsternannten, wohlbehüteten Weltverbesserer.

"Changes" ist deutlich unaufgeregter und handlungsärmer als Zades frühere Dramen - und Thomas Ostermeier inszeniert ebenso unaufgeregt und zurückhaltend. Ein paar Wolkenkratzer-Projektionen, ein bisschen Musik. Darüber hinaus hat er an der psychologischen Genauigkeit der Beziehungen gearbeitet und am hervorragenden Timing. Entstanden ist ein präziser Abend, der Menschen zeigt, die an sich, ihren Lebensentwürfen, der Welt, der Liebe, ihren Mitmenschen zu scheitern drohen.

Das gefällt nicht allen. Das Publikum scheint wegen der fehlenden Höhe- und Wendepunkte nicht recht zu wissen, wozu es geladen ist, und wittert Belanglosigkeit. In den Applaus fallen vereinzelte Buh-Rufe. Man muss sich schon einlassen wollen auf die Ruhe, die Traurigkeit, die leise Komik dieser ratlosen Menschengestalten, die hier in aller Alltagsbanalität abgebildet werden. In manchen Momenten schaut man auch sich selbst beim Leben zu.

Barbara Behrendt, radio3

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