Volker Weiß: Das deutsche demokratische Reich; © Verlag Klett-Cotta
Bild: Verlag Klett-Cotta

Empfehlungen der unabhängigen Jury - Sachbücher des Monats März 2025

Wie gefährlich es ist, Diktaturen zu verharmlosen, zeigt Volker Weiß in seinem Buch "Das deutsche demokratische Reich". Und knapp 80 Jahre nach dem Ende des 2. Weltkrieges erinnert der wohl bedeutendste Antisemitismusforscher Wolfgang Benz mit "Exil" an die "Geschichte der Vertreibung 1933 – 1945". Zwei der Bücher auf der radio3-Sachbuchliste – ausgewählt von 24 namhaften Jurorinnen und Juroren.

Von "Geschichtsklitterung" ist schon seit dem 16. Jahrhundert die Rede als "in bestimmter Absicht verfälschte Darstellung oder Deutung geschichtlicher Ereignisse oder Zusammenhänge" – so der Duden. Und eben dieses immer wieder praktizierte Verfahren kursiert gerade aktuell unter dem Stichwort der "Opferumkehr": Vladimir Putin praktiziert sie, Donald Trump ist wohl auch nicht weit davon entfernt. Die Geschichtsklitterung bedient sich ganzer historischer Narrative, um ihr Handeln oder ihr Verständnis von Gegebenheiten zu erklären und ist ein bevorzugtes Muster autoritärer Regime und extremer Parteien bzw. politischer Lager.

Volker Weiß ist dieser Methode der Geschichtsfälschung in seinem Buch "Das deutsche demokratische Reich" nachgegangen und macht deutlich, dass es sich nicht bloß um eine Abart der "fake news" handelt, die die Sozialen Medien überschwemmen, sondern um eine tiefgreifende Umdeutung der Wirklichkeit mit fatalen Auswirkungen. Der Autor konzentriert sich besonders auf die Versuche, die nationalsozialistische Diktatur für eigene, propagandistische Zwecke zu instrumentalisieren und dabei zu verfälschen. Wie gefährlich es ist, Diktaturen zu verharmlosen, zeigt dieses Buch.

"Ein Krieg wie kein anderer"

In eine ähnliche Kerbe schlägt der zurzeit in den USA lehrende Historiker Jochen Hellbeck, indem er den "deutsche[n] Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion" einer Revision unterzieht und unmissverständlich klar macht, dass "die obsessive Beschäftigung der Nationalsozialisten mit dem sowjetischen 'Weltfeind Nr. 1' zum größten Massenmord der Weltgeschichte" geführt habe (S. 516). Es war eben "Ein Krieg wie kein anderer".

Hellbeck zeigt uns, dass der Vernichtungswille Hitlers und in diesem Zusammenhang auch großer Teile der Wehrmachtssoldaten auch auf einer Art "Geschichtsklitterung" beruhte. Denn in deren Augen "stellte der Bolschewismus nichts anderes als den heimtückischen Versuch der Juden dar, mit Hilfe der von ihnen geschaffenen marxistischen Ideologie und des von ihnen gelenkten Kremls Deutschland und ganz Europa zu erobern". (S. 13) Ausführlich und seriös werden wir eines nicht Schönen Besseren belehrt.

Wolfgang Benz: Exil; © C. H. Beck Verlag
Bild: C. H. Beck Verlag

Schicksale und Leid der Exilanten

Knapp 80 Jahre nach dem Ende des 2. Weltkrieges erinnert der wohl bedeutendste Antisemitismusforscher Wolfgang Benz an die "Geschichte einer Vertreibung 1933 – 1945" aus Deutschland und den angrenzenden Gebieten in beinahe die ganze Welt. Hunderttausende Juden oder Nazigegner wurden unter der Naziherrschaft gezwungen, Deutschland zu verlassen.

Sie waren nicht überall in der Welt willkommen, aber sie haben doch viele Orte gefunden, an denen sie überleben konnten. Benz erzählt von bekannten wie unbekannt gebliebenen Exilanten, schildert ihre Schicksale und macht uns noch einmal mit dem Leid bekannt, das Hitlerdeutschland hervorgerufen hat.

Andreas Wang, Herausgeber der "Sachbücher des Monats" seit 1992

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