1. Mai-Klassiker der römischen Küche - Besser als ihr Name: Saubohnen
Ackerbohnen oder Dicke Bohnen - das klingt natürlich besser: dennoch sind Saubohnen hierzulande das Aschenputtel unter den Hülsenfrüchten. In der mediterranen und orientalischen Küche hatten sie allerdings schon immer einen sehr guten Stand: Ob frisch oder getrocknet werden sie in vielfältigen Gerichten gefeiert. In Rom gehören frische Saubohnen und Schafskäse zum 1. Mai wie hierzulande die Maibowle und im gesamten Orient verleiht das Saubohnenpürée Foul vielerlei Gerichten Geschmack und Konsistenz.
Saubohnen stehen für südländische Küche, aber früher wurden sie überall angebaut: im Frühmittelalter sogar an der Nordseeküste, da sie die einzige Hülsenfruchtsorte sind, die selbst im salzigen Sandboden gedeiht. Bei archeologischen Ausgrabungen in der Schweiz wurden in prähistorischen Küchenabfällen Saubohnenreste gefunden. Als zuverlässige und unkomplizierte Proteinquelle waren sie ein sehr wichtiges Lebensmittel, bis die feineren Bohnen aus Amerika, die Gartenbohnen und die Feuerbohnen, eingeführt wurden.
Die damals sehr dicken Saubohnen verloren dann an Beliebtheit und wurden fast nur noch an Schweine verfüttert, daher der Name. Aber nicht überall: In Erfurt haben sie als "Puffbohnen" Tradition, in Westfalen und im Rheinland isst man sie gerne mit Speck und im luxemburgischen Nationalgericht "Judd mat Gaardebounen" begleiten sie geräuchterten oder gepökelten Schweinenacken.
Schmackhaft, aber unheimlich
Im Mittelmeerraum hält sich die Begeisterung für Saubohnen seit Jahrtausenden ungebrochen. In Ägypten und vielen seiner Nachbarländer ist Foul - ein Püree aus eigeweichten und weichgekochten, trockenen Dicken Bohnen - beinahe allgegenwärtig; die ägyptische Falafelversion, die schon im Altertum unter dem Namen Tamia bekannt war, hat anstelle von Kichererbsen Saubohnen als Zutat.
Die Alten Griechen mochten allerdings keine Saubohnen. Die schwarzen Flecken auf den unschuldig weißen Blüten kamen ihnen unheimlich vor, so dass sich der Aberglaube verbreitete, in Saubohnen würden die Seelen der Toten wohnen. Die dicken Hülsenfrüchte waren also den Toten geweiht, so dass es unangebracht war, sie zu essen.
Der Mathematiker Pitagora soll einiges getan haben, um dieses Glauben zu verbreiten. Plato lehnte Saubohnen auch ab, aber nur aufgrund der schweren Verdaulichkeit, die vom konzentrierten Philosophieren ablenken würde.
Gruß an den Frühling
Offensichtlich störten sich die Alten Römer an den lästigen Blähungen nicht: Sie erklärten Saubohnen zum Symbol der Fruchtbarkeit. Sie widmeten sie Flora, der Göttin der Blüte, und mit Saubohnen und Schafskäse, den ersten frischen Produkten nach dem langen Winter, begrüßten sie den Frühling.
Noch heute sind Fave und Pecorino auf Brot in Rom und Umgebung sehr beliebt und am 1. Mai-Fest ein unverzichtbarer Snack. Das Zeitfenster für frische Saubohnen ist allerdings sehr kurz: Wenn die Früchte groß werden, sind sie nicht mehr so zart und so mild im Geschmack, dass man sie roh essen könnte. Notfalls muss man die Samen von den äußeren Membranen befreien. Oder sie werden im Eintopf geschmort - zum Beispiel mit Schweinebauch oder Chorizo-Wurst, wie in Spanien und Portugal.
Eine Alternative, die über das ganze Jahr verfügbar ist, sind tiefgefrorene Saubohnen: Sie sind in der Regel klein und durch das Einfrieren besonders zart in der Konsistenz. Hier lässt sich die äußere Membrane gut abnehmen und die nackten, grünen Saubohnen schmecken fast so gut wie die frischen.
Zartes Püree mit wilden Kräutern
Viel verbreiteter im gesamten Mittelmeerraum sind Gerichte mit getrockneten, also haltbaren Dicken Bohnen. Eingeweicht, gekocht und dann zur Püree gestampft und mit kräftigem Olivenöl abgeschmeckt, sind sie in Apulien Grundlage für ein Gericht, das seit dem Mittelalter belegt ist. Friedrich der Zweite, der Staufe, der im 12. Jahrhundert als Kaiser auch über Süditalien herrschte, soll von Saubohnencreme mit wildem Löwenzahn geschwärmt haben. Das zarte Püree schmeckt mild und süßlich, mit einer ganz leichten, zartbitteren Note im Hintergrund, während das im Olivenöl, Knoblauch und Chili geschmorte Löwenzahngemüse eher scharfbitter ist. "Fave e Cicoria" ist ein gesundes, sehr schmackhaftes und besonderes Gericht, dessen Geschmack mehr an die arabische als an die italienische Küche erinnert. Die sizilianische Variante, der "Macco di fave", wird gelegentlich auch mit frischen Saubohnen zubereitet und mit Wildfenchel gewürzt.
Gesund für fast alle
Im Rahmen einer modernen, fleischarmen Ernährung, die als Proteinquelle Hülsenfrüchte empfiehlt, dürften Saubohnen eine größere Rolle als früher spielen. Nur, im Falle von Favismus, der genetisch bedingten sogenannten Bohnenkrankheit, können sie schwerwiegende Reaktionen verursachen, die zur Zerstörung der roten Blutkörperchen führen. In Deutschland sind weniger als 1% der Bevölkerung betroffen, meist Männer. Dass der Gendefekt gerade in südlichen Ländern verbreiteter ist, lässt sich evolutionsbiologisch erklären: Betroffene sind dann etwas weniger anfällig für die dort häufig vorkommende Malaria-Infektionen. Dafür lohnt es sich jedenfalls, auf Saubohnen zu verzichten.
Elisabetta Gaddoni, radio3