Caspar David Friedrich: Der Watzmann, Foto: Andres Kilger
Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie / Leihgabe der Deka, Frankfurt am Main / Fotograf: Andres Kilger
Caspar David Friedrich: Der Watzmann | Bild: Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie / Leihgabe der Deka, Frankfurt am Main / Fotograf: Andres Kilger Download (mp3, 15 MB)

Alte Nationalgalerie - "Caspar David Friedrich. Unendliche Landschaften"

Bewertung:

Hamburg, Berlin, Dresden – drei Städte, drei große Ausstellungen, die in diesem Jahr den 250. Geburtstag des Malers feiern, der als der bedeutendste der deutschen Romantik gilt. Dabei wird Caspar David Friedrich aus jeweils anderer Perspektive betrachtet. In der Alten Nationalgalerie steht seine Herangehensweise – Maltechnik und Konzeption – im Mittelpunkt, sowie die Bedeutung Berlins für seinen Ruhm.

Einträchtig hängen sie nebeneinander: Der "Mönch am Meer", eine kleine sinnende Figur vor einem fast leeren Hintergrund aus Wasser und Himmel, und die "Abtei im Eichwald", eine Ruine umstanden von kahlen Bäumen. Der Verkauf dieser beiden gleichgroßen Gemälde an den preußischen König anlässlich der Akademieausstellung in Berlin im Jahr 1810 war der Startschuss für die Karriere Caspar David Friedrichs. Das royale Interesse animierte auch andere Käufer. Der Platz der beiden gleichgroßen, ansonsten aber sehr verschiedenen Gemälde ist normalerweise im "Friedrich-Saal" der Alten Nationalgalerie.

Jetzt hängen sie eine Etage tiefer, vereint mit einer Vielzahl anderer "Bilderpaare", die diese Ausstellung als Besonderheit des Malers und Schlüssel zum Verständnis seiner Kunst präsentiert. Friedrich wird hier als konzeptuell denkender Maler vorgestellt, der über das einzelne Werk hinaus dachte, um eine komplexe Weltsicht zu entwerfen.

Zwei Seiten einer Medaille

Friedrich wird hier als konzeptuell denkender Maler vorgestellt, der über das einzelne Werk hinaus dachte, um eine komplexe Weltsicht zu entwerfen. Die inhaltliche Verschiedenheit innerhalb dieser Bilderpaare ist "Programm": Sie sind komplementär gedacht. Die großen Themen, wie sie auch in "Mönch" und "Abtei" verhandelt werden – ewige und übermächtige Natur einerseits, Vergänglichkeit des Menschen und seines Tuns andererseits – bringt der Maler mittels solcher Paarungen als die sprichwörtlichen "zwei Seiten einer Medaille" zusammen.

Landschaft als Inszenierung

Auch maltechnologische Untersuchungen belegen diese konzeptuelle Herangehensweise. Ein Infrarotreflektogramm von Friedrichs "Mönch am Meer" beispielsweise zeigt, dass er dieses Bild mit der kleinen, sinnenden Figur, das die Zeitgenossen wegen seiner Leere regelrecht schockiert hat, ursprünglich konventioneller angelegt hatte. In der Unterzeichnung sind noch Segelboote zu erkennen, die er dann entschieden übermalte.

Auch sein Umgang mit Vorlagen wie Figurenumrissen und Naturstudien, Skizzen von Bäumen oder Felsen, die er in seine Kompositionen einfügte (und abwandelte), unterstreichen, dass der Maler nicht einfach Natur wiedergeben wollte, sondern sein eigenes Bild von Landschaft auf der Leinwand inszenierte. Titel wie "Riesengebirge" oder "Felsenschlucht im Harz" mögen anderes suggerieren - Friedrich malte zwar mit Vorliebe Gebirgs- und Küstenlandschaften, aber keine realen Orte.

Alte Nationalgalerie - Caspar David Friedrich. Unendliche Landschaften

Wiederentdeckung

Zwischenzeitich in Vergessenheit geraten, wurde Caspar David Friedrich erst Anfang des 20. Jahrhunderts wiederentdeckt. Maßgeblichen Anteil daran hatte der norwegische Kunsthistoriker Andreas Aubert, der "von einem in der Stille nachklingenden Tiefsinn" schrieb, nachdem er 1906 in der Nationalgalerie – der heutigen Alten Nationalgalerie – die umfassende Präsentation von Bildern Friedrichs in der "Jahrhundertausstellung deutscher Kunst" gesehen hatte. Gefeiert wurde der Künstler nunmehr als Wegbereiter der modernen Kunst.

Neben der malerischen Qualität scheint es vor allem diese Eigenschaft des Friedrich'schen Oeuvres zu sein, zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedliche Anknüpfungsmöglichkeiten zu bieten – von religiösen, philosophischen bis hin zu Umweltschutz-Gesichtspunkten: Wie Caspar David Friedrich den Menschen und sein Verhältnis zur Schöpfung, zur Welt, zur Natur in seinen Bildern herauspräparierte, scheint schier unendlichen Raum für Interpretation und Projektion zu bieten.

Silke Hennig, rbbKultur

Mehr