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Drama - "Der Zopf"

Bewertung:

Am Freitag (08.03.) ist der Internationale Frauentag. Passend dazu laufen in dieser Woche gleich mehrere Filme an, die von kämpferischen Frauen erzählen - von Frauen, die Geschichte geschrieben haben, unter anderem die Dokumentation "Ihr Jahrhundert – Frauen erzählen Geschichte" von Uli Gaulke und "Maria Montessori", ein Spielfilm über die Schulreformerin. Um Frauen, die sich gegen Widerstände behaupten, geht es auch in der Verfilmung des Bestsellers "Der Zopf", den die Autorin Laetitia Colombani selbst verfilmt hat.

Wie im Roman werden die Lebensgeschichten von drei Frauen quer über die ganze Welt hinweg miteinander verknüpft - drei Frauen, von denen jede unter hohem Druck steht: Smita ist eine junge Mutter, die in Nordindien zur untersten rechtlosen und diffamierten Kaste der "Unberührbaren" gehört. Um ihrer kleinen Tochter ein besseres Leben zu ermöglichen, wagt sie eine gefährliche Reise in den Süden des Landes.

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Nachdem ihr Vater verunglückt ist, muss Giulia in Apulien als älteste Tochter einen Weg finden, die Echthaarperücken-Werkstatt und das mit einer Hypothek belastete Haus der Familie vor der Insolvenz zu retten. Und in Monréal wird die erfolgreiche Anwaltskarriere der dreifachen Mutter Sarah durch eine Krebsdiagnose gebremst.

Dynamisch von einer Welt in die nächste

Indien und Italien sind fast wie Urlaubsorte inszeniert, durch Sonne, Licht und Farben entwickeln sie eine fast touristisch anmutende Schönheit, was insbesondere in Indien in krasser Weise der erzählten Lebenswirklichkeit widerspricht - zum Beispiel, wenn die junge, schöne Inderin in warmroten Gewändern unter unwürdigen Bedingungen die Latrinen der wohlhabenden Kasten säubert. Notdürftig bedeckt sie die stinkenden Exkremente, schaufelt sie in den flachen Korb, in dem sie sie zum Fluss trägt und ausleert.

Nach diesem Einblick ins Leben der Elendesten der Elenden wechselt der Film vom simplen Nachtlager in Indien nach Italien, wo die Menschen zwar auch einfach leben und hart arbeiten, aber doch eine gewisse mediterrane Idylle herrscht: mit den Arbeiterinnen im Familienbetrieb, mit all den Handgriffen, die zur traditionellen Herstellung einer Echthaarperücke gehören.

Schließlich wechselt die Stimmung ein drittes Mal, die Welt der Wohlhabenden und Erfolgreichen in mondänen Hochhausbüros und luxuriösen Wohnungen in Monréal ist in bläulich-kühles Licht getaucht. Das ist zwar ein bisschen plakativ gezeichnet, entwickelt aber mit viel Schwung und Drive einen verführerischen Sog, der den Zuschauer durch das enorme Gefälle dynamisch von einer Welt in die nächste trägt, von einer Familie zur nächsten.

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Auflehnung gegen frauenfeindliche Traditionen

Das verbindende Element zwischen den drei Lebensgeschichten ist die weibliche Perspektive - die Art, wie hier drei junge Frauen den Widerständen und Herausforderungen trotzen, mit denen sie konfrontiert sind. Alle drei lehnen sich gegen die frauenfeindlichen Traditionen ihres Umfeldes auf.

Durch Flucht in den liberaleren Süden des Landes will die Inderin Smita (Mia Melzer) für ihre kleine Tochter bessere Chancen erkämpfen. In der italienischen Familie muss sich die älteste Tochter Guilia (Fotinì Peluso) gegen ihre Mutter behaupten, die die existenzielle Krise der Familie durch eine lukrative Verheiratung ihrer Tochter lösen will. Und in der dritten Episode versucht die Anwältin Sarah (Kim Raver) ihre Krebsdiagnose vor ihrem Chef und ihren Kollegen zu verheimlichen, um als Frau in diesem Männergeschäft keine Schwäche zu zeigen.

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Haare als Symbol für Weiblichkeit

Auf der metaphorischen Ebene sind die Haare als starkes Symbol für Weiblichkeit das verbindende Element: Im Zentrum steht die italienische Perückenwerkstatt, ein liebevoll betriebenes Handwerk, das vom Aussterben bedroht ist, weil der Nachschub an Echthaar immer knapper wird. Auf der anderen Seite steht die wohlhabende Anwältin, die als Folge der Chemotherapie eine gute Perücke braucht und sie sich auch leisten kann. Und auf der anderen Seite des Spektrums die bettelarme Inderin, die nichts anderes als ihre langen schönen Haare besitzt.

Doch statt die bitteren Ursachen und Folgen der Globalisierung zu ergründen, lässt sich Colombani von der oberflächlichen Schönheit der Schauplätze verführen und von den Klängen von Ludovico Einaudi einlullen. Entsprechend groß ist die Kluft zwischen tragischem Inhalt und verführerischer Form.

Anke Sterneborg, rbbKultur

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