Stephan Lamby, Journalist, Autor und Produzent, 06.09.23; © picture alliance/dpa/Kay Nietfeld
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Mit Jagoda Marinić - Stephan Lamby – "Der Werkzeugkasten des Faschismus steht sperrangelweit auf"

Für mich ist Gesellschaft wie eine Großfamilie. Wenn wir das Gespräch verweigern, also im Wissen um die Unterschiede und nur noch übereinander, nicht mehr miteinander reden, dann zerbricht eine Familie und dann irgendwann auch Gesellschaft.

Stephan Lamby

Stephan Lamby ist Autor, Journalist und Dokumentarfilmer im Reich der Politik. Er bewegt sich seit Jahrzehnten in den Vorzimmern der Macht, seine Kamera fängt die Emotionen der Politgrößen ein und sein Mikro ihre Wahrheiten und Unwahrheiten. Seine jüngste Doku "Die Vertrauensfrage" übertrug das Scheitern der Ampelkoalition quasi in Echtzeit in die Wohnzimmer des Landes.

Dabei wollte Lamby ursprünglich Musiker werden und brach nach dem Studium in Bonn erst mal mit Sack und Saxophon nach New York auf. Doch hier fand er auch zum Journalismus. Einen Namen macht er sich mit intimen Porträts von prägenden politischen Persönlichkeiten wie Peer Steinbrück, Wolfgang Schäuble, Angela Merkel oder Helmut Kohl und wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Zuletzt erschien seine sehr persönliche Auseinandersetzung mit extremen politischen Positionen in der eigenen Familie: "Und trotzdem sprechen wir miteinander".

Helmut Kohl sah in der EU ein Friedensprojekt. Wenn Friedrich Merz diesen Gedanken in den Vordergrund stellt, dann steckt darin auch eine große Chance. Das traue ich Merz zu. Aber ob er diese integrative Kraft hat?

Stephan Lamby

Bei FREIHEIT DELUXE erzählt Lamby von seinem Leitmotiv "Macht" und was ihn hierfür journalistisch prägte: Seine Begegnung mit Helmut Kohl, als dieser nicht mehr Kanzler, sondern zerbrechlich und einsam war. Obwohl Lamby einst gegen Kohl demonstrierte, weiß er seine "Strickjackenpolitik" im Rückblick zu schätzen.

Europa als "Friedensprojekt" sei die Vision, die Friedrich Merz sich zum Vorbild nehmen solle, darin sind er und Jagoda Marinić sich einig. Die beiden tasten jedoch auch sehr genau ab, wo ihre Schmerzgrenzen anders verortet sind: Während Lamby noch mit seinem amerikanischen Cousin gemeinsame Nenner findet, auch wenn er Trump-Anhänger ist, sieht Jagoda mehr die Notwendigkeit, andere an den Tisch zu holen, die dort noch nicht sitzen.

Zu seiner Entscheidung, einem rechtskonservativen Nachrichtenportal ein Interview zu geben, befragt sie ihn kritisch und Lamby bezieht Stellung. Schließlich formuliert Stephan Lamby noch ein weiteres journalistisches Leitmotiv: Die Instrumente des Faschismus genau zu beschreiben, um vor ihnen zu warnen, nicht um sie selbst zu nutzen.