Philharmonie Berlin - Daniel Harding und die Berliner Philharmoniker
Eine spannende Gegenüberstellung erwartet uns im Programm der Berliner Philharmoniker mit Daniel Harding am Pult. Die dunkle und tiefgründige Farbe, aber auch ganz andere Möglichkeiten der Viola, erkundet Antoine Tamestit in Jörg Widmanns Viola-Konzert. In Bruckners 4. Symphonie, der "Romantischen", kann man dann die Vielfalt der romantischen Naturvorstellung erleben.
Jörg Widmanns Viola-Konzert verweigert alle Erwartungen. Der Solist tritt nicht mit dem Dirigenten auf, sondern ist gut versteckt bei den Harfen. Dann kommen nicht etwa sanfte, dunkle Bratschenklänge, sondern Trommeln und Klopfen auf dem Holz. Man hört die Finger auf die Saiten schlagen, erste Akkorde zeichnen sich ab. Eine Trommel tritt mit ein in den Dialog, die Harfen, das Klavier, die Celesta kommen dazu. Antonine Tamestit zieht von Station zu Station, es ist eine Reise, die immer mehr Musiker mit einbezieht.
Es kann komisch sein, oder auch mal ärgerlich, verwegen oder sanft, fragend oder behauptend. Erst langsam kommt der Bogen ins Spiel und mit ihm die Streicher. Immer bleibt es ein Dialog auf der Bühne, niemals wendet sich der Solist triumphierend seinem Publikum zu. Dieses scheint gar nicht zu existieren!
Atemlose Stille
Daniel Harding organisiert alles sehr gekonnt, aber man nimmt ihn eigentlich nicht wahr. Immer wilder wird der Dialog, der auch Streit sein kann, dann aber auch wieder Szenen eines Clowns. Schließlich wird ein sehr leiser, inniger Gesang gemeinsam angestimmt. Man hört Klänge des chassidischen Stetls, auch Ernst Bloch scheint kurz auf.
Dieser wie ich finde jüdische Reisende ist ein Narr, der es ernst meint. Ist auch ein Gelehrter, ein Gerechter, ein Zaddik, der sich von der Welt nicht beirren lässt und im letzten Verklingen er selbst bleibt. Einer der weiß, dass etwas den menschlichen Irrsinn überdauern wird. Atemlose Stille, die Musiker und der Komponist, der uns diese Reise so klar und berührend mitgegeben hat, werden zu Recht gefeiert.
Abbados Magie fehlte
Danach Bruckners "Romantische". Daniel Harding war Claudio Abbados Assistent, das Konzert dem 10. Todestag des großen Dirigenten gewidmet. Etwas vom Ideal des sich gegenseitig Zuhörens war zu spüren. Auch, dass im besten Fall der Dirigent sich Vergessen macht.
Ein sanfter, ein heiterer, manchmal sogar schwereloser Bruckner. Warum nur brechen dann immer wieder die katastrophalen Stürme herein? Das war doch eher zufällig, wirkte zumindest so. Es war berückend schön gespielt, gerade im Piano sehr berührend, aber die Magie eines Abbado-Abends wollte sich nicht einstellen. Das bleibt eben auch ein Geschenk.
Clemens Goldberg, rbbKultur