Album der Woche | 06.05. - 12.05.2024 - ARUNDOSquintett: "Saga"
2013 gründeten fünf Bläser-Studierende ein Quintett für ihre Kammermusikpflichtstunden an der Kölner Musikhochschule. Nach dem Studium starteten sie alle ihre Karrieren, fanden zum Beispiel ihren Platz in verschiedenen Orchestern. Und doch konnten sie alle nicht von der Kammermusik lassen. Und so blieben sie zusammen: das ARUNDOSquintett ist bis heute fast in der ursprünglichen Besetzung zusammen. Erfolgreich bei Festivals und in Konzerten, legten sie eine erste, vielbeachtete CD vor. Ihre zweite CD "SAGA" präsentiert vier unterschiedliche Werke.
Saga. Das ist die germanische Göttin der Sagen, Mythen und Runen. Oft wird Saga direkt mit "Erzählung" und "Geschichte" übersetzt.
"Wir wollten ein Album erstellen, das Geschichten erzählt, die unmittelbar die Phantasie des Zuhörers anregen können. Mit dem Wort Geschichte meinen wir aber auch die Geschichte des Quintetts. Wir wollten gerne unsere Lieblingsstücke produzieren, die das Quintett schon länger begleiten", so Yuka Maehrle, Fagottistin des Ensembles.
Geschichten aller Art
Doch wie schnell können sich in diesem Punkt fünf Musiker aus drei Nationen einigen? Maehrle erinnert sich da an ein gemeinsames Abendessen: Sie schrieben alle jene Werke auf einen Zettel, die ihnen im Laufe des gemeinsamen Spielens ans Herz gewachsen waren.
"Wir mussten lachen, als wir diese Zettel aufgedeckt haben - dass zum Beispiel bei allen an erster Stelle Debussy stand. Und auch Nielsen war vorne mit dabei!"
Ebenso eindeutig fiel das Votum für das Werk von Schifrin aus, weil sie es für einen Wettbewerb intensiv erarbeitet haben. Quintett-Harmonie in Reinkultur also.
Raffinierte Bearbeitung
An erster Stelle also Claude Debussy. Christine Stemmler, Klarinettistin des Quintetts, bestätigt diese Wahl: "Wir finden, dass diese ja sehr bildliche, malerische und auch poetische Musik unglaublich gut zu unserer Besetzung passt. Und da sich die Musik auch auf Gedichte und Gemälde bezieht, hat das besonders gut zum Thema 'Saga' gepasst."
Debussys "Petit Suite" ist original für Klavier zu vier Händen gedacht. Das Quintett hat hier eine sehr charmante Bearbeitung voller Spielwitz gefunden: Jedes Instrument wirft ein eigenes Augenzwinkern in die Runde. Gerade hier hört man in den rhythmisch markanten Passagen, dass die Fünf den Gleichklang im Blut haben. Das sitzt. Technische Schwierigkeiten? Kennen sie nicht.
Standartwerk voller nordischer Kläge
Ebenso Ensemble-Begeisterung für Carl Nielsen und sein Bläserquintett op. 43. Die Fagottistin Maehrle: "Nielsen gilt heute als der bekannteste dänische Komponist. Sein Quintett ist ein Standardwerk für Bläserquintett. Da führt kein Weg dran vorbei. Und das Werk ist ein, so finde ich, wirklicher Geheimtipp für alle, die nordische Klänge lieben."
Das Spätwerk des Komponisten entstand für befreundete Musiker, die er bei einer Mozart-Probe hörte. Für diese schrieb Nielsen vier Sätze. Der letzte ist eine große Variationsreihe, in der jedes Instrument seinen Auftritt erhält, denn hier werden die unterschiedlichen Bläserklangfarben von Fagott, Flöte, Horn, Oboe und Klarientte in eine Art Dialog zusammengebracht, so Meahrle. "Und das ist etwas, was in Nielsens Quintett aufs Höchste zelebriert wird."
Geschichte vom Fluss
Danach folgt ein ganz anderes Werk, das Lalo Schifrin, Argentinier, Jahrgang 1932, komponierte. Angeblich soll es eine düstere Geschichte erzählen, vom Mississippi-Schaufeldampfer "La Nouvelle Orleans", der von seiner Jungfernfahrt nicht zurückkehrte, berichtet Klarinettistin Christine Stemmler. "Am Anfang gibt es diese mechanischen Geräusche, diese Schiffsgeräusche. Und dann sprudelt das Wasser rein und die Leute geraten in Panik." Im weiteren Verlauf taucht eine Klagemelodie auf, "und dann beginnt diese typische New Orleans Jazz-Beerdigung am Ende des Stückes."
Neues fürs Quintett
Ebenso gehört zur Geschichte des Quintetts, dass neue Werke in Auftrag gegeben werden. So traten sie auf einen Komponisten zu, der schon oft im Publikum saß: Kevin Beavers. Er komponierte ihnen ein dreisätziges Werk für ihr Album. Dazu Yuka Maehrle: "Wir waren so dankbar für die Liebe, die er offensichtlich in dieses Werk gesteckt hat! Man kann im Hinterkopf haben, dass den Sätzen jeweils ein Charakter zugrunde liegt. Der Charmeur im ersten, der Liebhaber im zweiten Satz mit einer riesigen Fagott-Kadenz und einen Spaßvogel."
Quintessenz des Quintett-Albums
Das Album ist eine Visitenkarte der Extraklasse. Sie zeigt das Können beim virtuosen Spiel, Experimentier-Esprit, Stilsicherheit in den Epochen und enorme Erzählkraft und Tiefe. Auf "Saga" kommen die Geschichten bestens zur Geltung: tragische, melancholische, tanzwütige und witzige.
Cornelia de Reese, radio3