Dorothée Munyaneza / Cie Kadidi: umuko © Patrick Berger
Patrick Berger
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Eröffnung von Tanz im August - "umuko" - Choreografien von Dorothée Munyaneza

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Der Tanz im August hat begonnen, das Internationale Tanzfest Berlin. Bis zum Ende des Monats sind insgesamt 18 Tanzproduktionen aus aller Welt zu sehen, darunter einige Weltpremieren und etliche deutsche Erstaufführungen - darunter auch das Stück "umuko" der Choreografin Dorothée Munyaneza, mit dem das Festival gestern eröffnet wurde.

Am Eröffnungsabend von Tanz im August gab es zunächst ernste, besorgte und kämpferische Reden: Annemie Vanackere, die Intendantin des HAU - Hebbel am Ufer, hat über die prinzipielle Daseinsberechtigung und die Freiheit der Kunst gesprochen und rief zur Teilnahme am Protest gegen die Kürzungen der Förderung der Freien Künste im Etat des Bundeskulturministeriums auf. Auch Ricardo Carmona, Kurator von Tanz im August, hat zur Teilnahme an diesem Protest eingeladen und sein Festival unter die Überschrift "Diversität und Migration" gestellt. Deutschland sei ein Migrationsgewebe, so Ricardo Carmona, das Festival wie ein Archipel, eine Gruppe von Inseln: verschieden und doch zusammengehörend.

Ernste Reden in – wie beide betont haben – schwierigen, krisenhaften Zeiten.

Dorothée Munyaneza / Cie Kadidi: umuko © Patrick Berger
Dorothée Munyaneza / Cie Kadidi: "umuko" | Bild: Patrick Berger

"umuko" – Erinnerungen von Dorothée Munyaneza

Eine Erinnerung an dramatische und grausame Zeiten war dann das Eröffnungsstück "umuko". Umuko – das ist ein Baum in Ostafrika, der leuchtende, weithin sichtbare rote Blüten und Blätter trägt. Dieser Baum ist für Dorothée Munyaneza die Verbindung zu ihrer Herkunft und Kindheit. Sie ist 1982 in Kigali, der Hauptstadt von Ruanda, zur Welt gekommen, konnte als 12-jähriges Mädchen mit ihren Eltern vor dem Völkermord nach Großbritannien fliehen. Der Genozid, in kurzer Zeit wurden ca. 800.000 Menschen ermordet, begleitet Munyanezas künstlerische Laufbahn als Sängerin, Schauspielerin und Choreografin. Ein Film über den Völkermord war Beginn ihrer künstlerischen Karriere. Und sie hat danach zwei Choreografien dazu inszeniert. Eine - "Unwanted" - mit Berichten von Frauen, die vergewaltigt wurden und ungewollte Kinder zur Welt gebracht haben, die 2017 beim Tanz im August zu sehen war.

Der Umuko-Baum als Bewahrer, Mittler und Heiler

"umuko" ist ein sehr persönliches Stück von Munyaneza. Es steht für ihre Suche nach ihrer Heimat und nach ihren Wurzeln: Ruanda, England oder Frankreich, wo sie seit Langem lebt. Es steht für ihre Suche nach einer künstlerischen Bewältigung der grausamen Vergangenheit und für den Versuch, eine Zukunft zu entwerfen, in der die Schrecken der Vergangenheit bewältigt sind. Denn der Umuko-Baum ist für sie Zeichen ihrer Herkunft, Bewahrer von Traditionen und Erbe und Mittler zwischen den Zeiten, zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Und sie sieht ihn als Möglichkeit zu Heilung – das ist die Idee dieses Stückes.

Stückwerk: Melancholische Privat-Party und Geister-Schattenspiel

"umuko" bleibt allerdings nur Stückwerk, eine Ansammlung von Szenen. Fünf junge Männer, Vertreter der jungen Künstlergeneration in Ruanda, singen, klatschen und spielen jeweils mehrere Instrumente und sie tanzen. Worum es in den Songtexten geht, erfahren wir nicht. Hier soll sich das Atmosphärische übertragen und das ist wie eine Art melancholische Privat-Party, eine Art Beschwörungsritual, ein trauriges und stolzes Erinnern und Zeigen der Traditionen in Musik und Tanz. Die Toten sind als Geisterschattenspiel hinter einer Leinwand anwesend. Ein Überführen der Traditionen in Gegenwart und Zukunft gelingt kaum. Gegen Ende ist etwas Afropop-Musik von heute zu hören und ein körperschleudernder Tanz in den Clubs der afrikanischen Metropolen.

Dorothée Munyaneza / Cie Kadidi: umuko © Patrick Berger
Dorothée Munyaneza / Cie Kadidi: "umuko" | Bild: Patrick Berger

An Traditionen orientierter Tanz

Im überwiegend traditionell orientierten Tanz ist ein bodenorientiertes Stampfen zu sehen, mit leicht gebeugten Knien, die Beine treten seitwärts aus, der Oberköper wiegt sanft hin und her, Hüfte und Schultern und Kopf rollen. Immerhin sind diese Schritt-und-Schreit-und-Stampf-Tänze arhythmisch. Musik, Gesang und Tänze scheinen oft zu stolpern.

Viel Atmosphäre – schwach in der Form

Insgesamt findet hier wenig zueinander, die Szenen, Gesänge und Tänze wirken unverbunden. Munyaneza scheinen die Mittel zu fehlen, alles nach choreografischen Prinzipien zu gestalten – die Szenen wirken eher willkürlich in den Bühnenraum gestellt, den Tänzen fehlen Form und Struktur. Immerhin sind die fünf jungen Männer wahre Performance-, Gesangs- und Tanztalente - und immerhin geben sie sich am Ende tatsächlich großer Lebenslust und Lebensfreude hin.

"umuko" hat viel Atmosphäre, präsentiert viele Emotionen, viel Geschichte und Hoffnung, ist aber schwach in der Form. Das ist zu wenig für den Eröffnungsabend eines so bedeutenden Festivals.

Frank Schmid, radio3