Schaubühne am Lehniner Platz, BAD KINGDOM, von Falk Richter. © Gianmarco Bresadola
Bild: Gianmarco Bresadola

Schaubühne am Lehniner Platz - "Bad Kingdom"

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Im November hat Falk Richter an der Schaubühne sein autofiktionales Stück "The Silence" inszeniert und dafür prompt eine Einladung zum Theatertreffen erhalten. Nun legt er nach. Sein neues Stück "Bad Kingdom" hat jedoch wenig mit seiner Biografie zu tun …

Die Realität, um die es geht, ist zersplittert, und so ist auch das Bühnenbild aus verschiedenen Fragmenten zusammengesetzt – ein bisschen Computerspiel, ein bisschen Fernsehstudio, ein bisschen Showbühne. Überall hängen Leinwände und Projektionsflächen, dazwischen ranken sich künstliche Blütenzweige, hinten stehen die Mauern einer Spielzeug-Ritterburg. Ein Erzähler berichtet über einen 50-jährigen Mann, der allein über Einsamkeit nachdenkt. Das Gefühl, sagt er, sei so, als stünde man kurz davor zu weinen. Doch man gewöhne sich daran.

"Und wer soll dafür ein Ticket kaufen?"

Im Stück geht es um Einsamkeit in der Gesellschaft, in Beziehungen und beim Sex. "Wo bist du?"- fragt ein homosexueller Mann seinen Partner mitten im Liebesakt. Obwohl die beiden sich fest umschlingen, kommen sie nicht zueinander. Ihre Geschichte ist einer von mehreren Handlungssträngen, die Falk Richter kunstvoll miteinander verschlingt. Der Erzähler vom Anfang erweist sich als Filmregisseur, der einer mäßig interessierten Produzentin von seinem neuen Projekt erzählt: "Die Stunde, da wir nichts voneinander wissen wollten – 71 Fragmente der Einsamkeit". Die Worte sprudeln ohne Pause aus ihm heraus, bis ihm die Produzentin in die Parade fährt: 2Und wer soll dafür ein Ticket kaufen?"

Es geht nicht nur um Gefühle, sondern auch um ihre Verwertbarkeit. Wie Kapitalismus auf menschliche Beziehungen durchschlägt, hat Falk Richter schon immer interessiert. In „Bad Kingdom“ stellt er zusätzlich die Frage, wie über Gefühle berichtet wird. Es werden Geschichten erzählt, die Facetten der Realität beschreiben. Ob sie wirklich geschehen sind oder allein für den fiktiven Film erdacht wurden, bleibt offen.

Schaubühne am Lehniner Platz, "BAD KINGDOM", von Falk Richter. © Gianmarco Bresadola
Bild: Gianmarco Bresadola

Alle Wünschen sich Schutz und Nähe und bleiben am Ende doch allein

Der Filmregisseur und die Produzentin fantasieren Figuren herbei, die auch gleich auf der Bühne erscheinen – eine Pianistin zum Beispiel, die wegen der vielen Kriege und der Gewalt in der Welt kaum noch schlafen kann oder eine Influencerin, die ihren Followern empfiehlt, Rüstungsaktien zu kaufen, um aus der gegenwärtigen Krise Profit zu schlagen. Das siebenköpfige Ensemble muss in immer neue Rollen schlüpfen. Die Stimmung ist mal melancholisch, mal satirisch überdreht. Es gibt Brüche, bei denen man merkt, dass alles nur ein Film ist, aber auch sehr berührende Momente. Alle wünschen sich Schutz und Nähe und bleiben doch allein. Die Filmproduzentin, die von Jule Böwe gespielt wird, will ihren Geburtstag feiern, doch ihre Gäste sagen ab. Langsam entgleisen ihr die Gesichtszüge. Ihre Stimme bebt vor Traurigkeit und Zorn. Als sie verzweifelt einen Nachtclub besucht, begegnen ihr dort nur Monster mit Gummimasken – eine surreale Szene, die kraftvoll die Einsamkeit der Figur unterstreicht.

Hinzu kommt die Musik. Jule Böwe haucht eine melancholische Rockballade ins Mikrofon, Ursina Lardi spielt Klavier, Martin Bruchmann E-Gitarre. Dass sich die fragmentarischen Szenen überzeugend zu einem Ganzen verbinden, hat viel mit diesem Soundtrack zu tun. Man spürt die Verlorenheit der Figuren und ihren Schmerz – obwohl es auch komische Szenen gibt. „Bad Kingdom“ ist ein Stück, in dem man weinen und lachen kann. Sehenswert!

Oliver Kranz, rbbKultur