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Der 2016 verstorbene Schauspieler Manfred Krug war zu seinen Lebzeiten ein Star, ein Fernsehstar, aber auch als Autor und Sänger erfolgreich, er wuchs in der DDR auf, ging 1977 nach der Biermann-Ausbürgerung in den Westen, und war dann mit Serien wie "Auf Achse", "Liebling Kreuzberg" und "Tatort" erfolgreich. Seit zwei Jahren werden Manfred Krugs Tagebücher veröffentlicht, nun gibt es den letzten und dritten Teil der Jahre 2000 und 2001 mit dem Titel "Ich beginne wieder von vorn".
Gerrit Bartels hat sie für uns gelesen.
Wir reden über den Schauspieler Manfred Krug, der echt eine Gabe hatte. Er war enorm erfolgreich, erst im Osten, dann auch im Westen. Als Sänger war er auch sehr beliebt, durfte er auch als Tatortkommissar immer mal Gesangseinlagen unterbringen und auch seine Bücher interessieren viele.
Manfred Krug ist 2016 gestorben. Seit zwei Jahren werden nun seine Tagebücher veröffentlicht und der dritte und letzte Band ist jetzt erschienen. Seine Tagebücher aus den Jahren 2000 und 2001. Für uns hat die der Literaturkritiker Gerrit Bartels gelesen.
Hallo Gerrit, ich grüße dich.
Hallo, guten Tag.
Dieser Tagebuchband hat einen überraschenden Titel, wenn man daran denkt, dass Manfred Krug 63 Jahre alt war im Jahr 2000. Das Buch heißt nämlich "Ich beginne wieder von vorn". Was heißt das denn?
Ja, also man muss als erstes daran denken, dass er 1997 einen Schlaganfall hatte. Davon hat er in dem ersten Tagebuchband sehr intensiv und auch durchaus anrührend und eindringlich berichtet. Und dieser Schlaganfall spielt jetzt auch immer noch eine Rolle, die Folgen dieses Schlaganfalls. Und da kommen dann auch Todesgedanken und er reflektiert über den Tod. Da wundert man sich auch, er ist doch erst 63 Jahre alt. Ich glaube aber, dass dieses "Ich beginne wieder von vorn" eher etwas mit einem Ende zu tun hat und das ist das Ende seiner Tatortzeit. Da geht es halt in diesem Band viel um den letzten Dreh, den die beiden, also er und sein Mitkommissar Charles Breuer machen. Und damit hört diese Tatortzeit auf und das Neue, das was wieder von vorn beginnt, ist wohl seine Karriere als Sänger. Das ist wirklich der Kern dieser Tagebücher, dass er wieder Auftritte macht und als Sänger unterwegs ist. Das ist, glaube ich, dieser Neuanfang, den er da macht.
Veröffentlichte Tagebücher sind ja immer irgendwie was Komisches, weil man die ja eigentlich für sich privat schreib, dann kommen sie an die Öffentlichkeit. Wie war das bei Manfred Krug? Hat er seine Tagebücher für die Veröffentlichung geschrieben oder zuerst mal nur für sich?
Ich meine, dass er die schon auf eine Veröffentlichung hingeschrieben hat. Also diese Tagebücher sind nur so mäßig privat, würde ich sagen. Da hält er sich schon ziemlich zurück, so ganz private Sachen zu erzählen. Also zum Beispiel sein doch recht turbulentes Beziehungsleben, das kommt immer so am Rande vor. Wenn man jetzt bei diesen Tagebüchern hier einsteigt, muss man schon wissen, was da vorher alles passiert ist.
Er hatte eine junge Frau und noch ein Kind.
Genau, er hatte eine junge Frau und mit 60 noch eben ein Kind bekommen.
Eine zweite Frau.
Eine zweite Frau und ist eben auch mit seiner Ehefrau noch zusammen. Die beiden haben immer noch Kontakt und auch, glaube ich, alle drei zusammen haben dann Kontakt. Es geht mehr um seine Auftritte als Sänger. Diese vielen Auftritte, die er dann macht, gerade 2001 in Ostdeutschland. Das sind erst Lesungen, später werden es dann Gesangsauftritte. Da wird er dann so ein bisschen hin geschubst. Und es geht vor allen Dingen auch um die Schallplatten, die er herausbringt. Da gehören auch die Songs aus dem Tatort dazu und ein Album, was er früher gemacht hatte. "Schlafstörung" heißt das, was wieder neu rausgekommen ist. Dann geht es um die Treffen mit den Leuten von den Plattenfirmen. Und eins dieser Alben hat dann auch eine goldene Schallplatte gekommen. Im Jahr 2000 gab es so was noch. Dafür musste man 150 .000 Exemplare verkaufen. Ich war wirklich erstaunt, wie erfolgreich Manfred Krug mit dieser Gesangskarriere war. Dann erlebt man ihn aber auch als Zeitgenossen, also der tatsächlich auch die politischen Entwicklungen verfolgt, der guckt, was in Russland ist. Das ist so der Aufstieg von Putin, ein U -Boot-Unglück in Russland. Und ganz am Ende kommt natürlich dann 2001 eben auch 9-11 vor. Ich glaube, das ist einer der längsten Einträge in diesen Tagebüchern, zwei Seiten, wo er genauso entsetzt ist wie alle. Und auch ein bisschen fasziniert, was da alles passiert ist.
Jetzt gibt es ja dieses öffentliche Bild von Manfred Krug. Da ist er dieser manchmal ziemlich harte Hund mit so einer harten Schale, aber darunter schimmert das gute Herz. Wie zeigt er sich denn in diesem Buch jetzt, in diesen Tagebüchern?
Das ist eigentlich relativ eins zu eins. Er ist auch ein recht grantelnder Typ, das merkt man auch. Er ist auch ein unbeugsamer Typ. Da gibt es diese Geschichte mit der Bildzeitung, wo er eben gegen die gekämpft hat, weil die einen Brief von ihm abgedruckt haben, den er eben nicht zum Abdruck bestimmt hat. Da ging es um die Telekom-Aktien und dafür hat er Werbung gemacht damals. Sie sind ja so wahnsinnig abgestürzt und da gab es dann viel hin und her. Ich will das gar nicht im Einzelnen aufdröseln. Jedenfalls merkt man da, was für ein unbeugsamer Typ er ist. Das Unbeugsame, heute würde man auch sagen, also ein gewisser Sexismus spielt auch eine Rolle. Man würde ihn wohl sicher heute als "alten weißen Mann" bezeichnen. Und da ist auch viel Eitelkeit: Über die Tatortdialoge, also die Drehbuchdialoge, da lästert er ziemlich viel. Die einzig Guten wären die gewesen, die er sich mundgerecht zurechtgefeilt hätte, heißt es einmal. Und es gibt auch einen Eintrag, da guckt er nochmal eine alte Sendung, so eine alte "Liebling-Kreuzberg"-Folge durch und sagt sinngemäß: "Ich habe wahnsinnig gelacht, herzhaft gelacht, aber nur über mich und über meine Witzchen", die er dann wohl auch reingeschrieben hat. Also Missfallen gegenüber seines Freundes eigentlich, Jurek Becker, der damals diese Serien geschrieben hat. Und am Ende dieses Eintrags steht dann "entzückend", also mit Bindestrichen. Und klar, er ist sicher auch zur Selbstironie fähig gewesen, aber in diesem Fall habe ich auch das Gefühl, gerade wenn es darum geht, es ist auch ein bisschen Angabe und Eitelkeit mit dabei, das könnte man ihm unterstellen.
Dann ist es doch privat, wenn man so will. Noch kurz zum Schluss, Manfred Krug hat ja auch andere Bücher geschrieben, es gibt sogar ein Gedichtband von ihm.
Sind das jetzt, sind das reine Lebenszeugnisse oder sind die auch interessant geschrieben, literarisch interessant?
Große Literatur ist das nicht und ich würde es jetzt auch nicht unbedingt als Literatur bezeichnen, das sind eben wirklich Tagebücher, das sind Tagebucheinträge, ziemlich viele, auch wenn man schon merkt, dass er gut schreiben kann, er ein kluger, reflektierter Mann ist. Er sagte auch immer wieder "…diese beiden Diktaturen, die ich hinter mir habe, ich bin froh, dass ich jetzt in der Bundesrepublik lebe.". Man merkt man auch diese Freiheit, die war ihm schon wichtig in der Bundesrepublik. Diese Einträge, die sind ja immer nummeriert und immer der Tag, Dienstag, Donnerstag, die sind alle abgekürzt, nur der Freitag, der ist eben nie abgekürzt, FR, sondern da steht immer "frei". Das merkt man erst gar nicht, wenn man das nicht so anschaut, aber ich weiß genau, warum er das gemacht hat. Es ist eigentlich ein historisches Zeugnis, es sind historische Dokumente, es ist eine Zeit, die eben lange her ist. Wenn man sich einmal darauf eingelassen hat, so die ersten 40, 50 Seiten, kann es schon Spaß machen, sich in dieses Universum des Manfred Krug und auch in diese Zeit noch einmal rein zu begeben.
"Ich beginne wieder von vorn", die Tagebücher 2000 bis 2001 von Manfred Krug, die sind im Kanon Verlag erschienen und am kommenden Montag gibt es die Buchpremiere im Pfefferbergtheater in Berlin, unter anderem mit dem Krug Kindern, Daniel und Fanny Krug, moderiert von meinem rbb -Kollegen Knut Elstermann.
Gerrit Bartels. Vielen Dank.
Das Gespräch führte Frank Meyer, radio3. Es handelt sich um eine redigierte Fassung.